Fundraising: Für ein neues, wertschätzendes Verständnis in NPOs
In vielen Organisationen dreht sich alles um die Programme, Projekte und Kampagnen. Fundraising ist dabei das ungesehene, ungeliebte und leider nötige Übel, um diese zu realisieren. Diese Sichtweise ist nicht nur falsch, sondern auch schädlich für die NPO.
Fundraising ist harte Arbeit
Mein Weg ins Fundraising begann 2007 als Face-to-Face-Fundraiserin in einem Inhouse-Programm. Es war ein Knochenjob: Wir waren bei jedem Wetter draußen auf der Straße und mussten uns von der Mehrzahl der Menschen schlecht behandeln lassen. Ich wurde angeschrien, angespuckt und beschimpft. Trotzdem macht man weiter – bis man auf die ein, zwei Personen trifft, die einem Gehör und ihre Spende schenken.
Da draußen zu stehen – sozusagen an der Front – erfordert eine sehr dicke Haut, hohe Frustrationstoleranz und einen enormen Enthusiasmus für die Sache. Bekam man für seine Mühen die entsprechende Wertschätzung? Eher nicht. Wir waren noch nicht einmal so richtig ins Team inkludiert, sondern eine eigene, kleine Parallelwelt, auf die von den Programm-Leuten herabgesehen wurde.
Fordern statt Wertschätzen
Aber auch meine folgenden Erfahrungen als Telefon-Fundraiserin, Fundraising-Programm-Managerin und Mädchen-für-alles-Fundraiserin brachten mir ganz ähnliche Erfahrungen ein. Wertschätzung für den Beruf Fundraiser? Fehlanzeige. Vielmehr war man mit unrealistischen Forderungen und enormem Druck konfrontiert. Sobald man als Fundraiser*in erfolgreich ist, wird einfach noch mehr von einem verlangt.
Fundraising-Ziele werden häufig von Menschen festgelegt, die selbst noch nie Fundraising gemacht haben und kaum Einblick in die tägliche Arbeit haben. Zudem werden sie so gut wie immer finanziell ausgedrückt. Das ignoriert die Tatsache vollkommen, dass es im Fundraising weniger um Spenden als um Spender*innen geht. Es ist unser Job – und unsere Profession – in Menschen einen philanthropischen Funken zu entzünden. Sie sollen nicht nur ihre Geldbörsen öffnen, sondern ihre Herzen – und sich gut dabei fühlen und es gerne machen. Das ist der Kern des Fundraisings. Überzogene Ziel-Forderungen setzen Fundraiser*innen unter Druck – es bleibt kaum Raum für Innovation oder hochwertige Beziehungsarbeit mit den Spendenden.
Die Geld-Bettler*innen
Der Beruf hat ein ausnehmend schlechtes Image. Wir sind die Bettler*innen, die den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Wir manipulieren, nerven und haben keine Ahnung von der eigentlichen Sache. Uns geht es nur um’s Geld. Ich glaube, das ist eine kulturelle Sache – denn über Geld spricht man bekanntlich nicht. Und man fragt auch nicht danach, richtig?
In einer Studie gaben 14 % der Development Directors und 18 % der Executive Directors an, es nicht zu mögen, nach Geld zu fragen. Doch wenn wir uns in den Organisationen schon selbst unwohl dabei fühlen, nach Geld zu fragen – wie sollen wir dann philanthropisches Denken im Gefragten erwecken? Geld ist nach wie vor ein großes Tabu-Thema in unserer Gesellschaft.
Dabei geht es eigentlich gar nicht ums Geld – zumindest nicht vorrangig. Wir machen aus Menschen Philanthropen und bieten ihnen Möglichkeiten, sich für das zu engagieren, was ihnen wichtig ist. Das erfordert Wissen, Können und Erfahrung. Es ist eben nicht so, dass das “jeder kann”.
Fundraising ist ein Beruf – mit einem eigenen Wissensschatz, Berufsverbänden, Aus- und Weiterbildungen und einem ethischen Rahmenwerk. Das wird in den meisten Organisationen und Vereinen weder im Recruiting, noch in der Personalentwicklung berücksichtigt. Während Programm-Mitarbeitende von einer Konferenz zur nächsten fahren, bleiben Weiterbildungsmaßnahmen für Fundraisende die Ausnahme.
Unzufriedenheit und Fluktuation
Diese Rahmenbedingungen machen Fundraiser*innen ihren Beruf nicht einfach. Sie müssen mit hohem Druck, einer schwierigen und langwierigen Arbeit und fehlender Wertschätzung bzw. Achtung vor ihrer Tätigkeit umgehen. Da wundert es nicht, dass die meisten im Schnitt nach 16 Monaten den Job wechseln. Der Hauptgrund dafür sind unrealistische Erwartungen, frustrierend wenige Ressourcen und mangelnde Anerkennung.
Das führt zu hohen Fluktuationen in Fundraising-Teams – und damit auch zu vermindertem Fundraising-Erfolg. Unruhige Teams, in denen sich laufend die Gruppen-Dynamiken ändern, arbeiten nicht gut. Außerdem braucht es eine große Menge an Zeit und Geld, um Positionen nachzubesetzen und neue Mitarbeitende einzuschulen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur menschlich besser, sondern auch ökonomisch klüger, gut mit seinen Fundraiser*innen umzugehen.
Man könnte es besser machen
Die Lösung für diese suboptimale Situation liegt meines Erachtens nach in einem internen Wandel in den Organisationen. Es braucht mehr philanthropisches Verständnis und eine Organisationskultur, die Fundraising als Kernaufgabe betrachtet, die direkt auf die Mission der NPO einzahlt. Alle Mitarbeitenden – bis hin zu Vorstand und Geschäftsführung – sollten Fundraising und Philanthropie als Aufgabe auf ihren Agenden haben. Derzeit hat rund ein Viertel der Executives keinerlei Kompetenz im Bereich Fundraising.
Mit diesem Wandel im Verständnis von Fundraising sollte auch ein Umdenken in Sachen Investitionen stattfinden. Nur 9 % der Befragten aus der Studie stimmen zu, dass ihre Organisationen ausreichende Kapazitäten für ihre Fundraising-Aktivitäten haben. Wohin das führt ist klar, denn wie das Sprichwort so schön sagt: Von Nichts kommt Nichts.
In diesem Artikel erkläre ich, was mit philanthropischer Organisationskultur genau gemeint ist: Philanthropie als Organisationskultur: Eine strategische Ausrichtung für NPOs
Mehr Wertschätzung – besseres Fundraising
Ich finde, Fundraising ist ein schöner Beruf. Er erfordert ein tiefgehendes Verständnis für menschliche Verhaltensmuster, hervorragende kommunikative Fähigkeiten und viel Engagement und Enthusiasmus für die Sache. Als Fundraiser*in erlebt man viele kleine und große Erfolgsmomente und es wird eigentlich nie langweilig. Es gibt viel Raum für neue Ideen und Ansätze und es ist spannend, unterschiedliche Dinge auszuprobieren.
Noch schöner wäre es aber, wenn nicht nur wir Fundraiser*innen – wie einst die Kampagne des Österreichischen Fundraising Verbands verlauten ließ – #proudtobeafundraiser wären, sondern wir unsere gesamten Organisationen hinter uns wüssten.
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