NGOs: Statements zu aktuellen Ereignissen, ja oder nein?
In unserer politisch aufgeladenen Welt stehen viele NGOs vor der Frage, ob sie sich zu polarisierenden weltpolitischen Ereignissen öffentlich positionieren sollten. Beispiele wie der Israel-Gaza-Konflikt oder das Superwahljahr 2024 verdeutlichen, dass solche Themen nicht nur die öffentliche Meinung, sondern auch die Unterstützenden einer Organisation stark beeinflussen können. In diesem Artikel beleuchten wir die verschiedenen Aspekte, die NGOs berücksichtigen sollten, bevor sie eine Entscheidung treffen.
Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Position
Bevor eine NGO ein öffentliches Statement veröffentlicht, ist es essentiell, eine gemeinsame Position innerhalb der Organisation zu finden. Dieser Prozess kann herausfordernd sein und erfordert Antworten auf folgende Fragen:
Wer bestimmt die Position der Organisation?
Es muss klar sein, wer innerhalb der Organisation die Entscheidungskompetenz hat und den Standpunkt der gesamten Organisation festlegt. Das können einzelne Personen – z. B. Geschäftsführer*innen, oder Gremien – z. B. der Vorstand sein.
Welche Position entspricht den Werten und der Mission der Organisation?
Die Stellungnahme sollte stets in Einklang mit den Kernwerten der NGO und mit dem, was sie erreichen will, stehen.
Welche Position entspricht am ehesten der unserer Zielgruppen?
Auch wenn es nicht ratsam ist, diesen Aspekt allzu stark in der Positionsfindung zu berücksichtigen – nicht immer ist das die richtige Position für die Organisation – sollte man sich jedenfalls darüber im Klaren sein.
Hat das Ereignis Auswirkungen auf die direkte Projektarbeit?
Positioniert man sich, obwohl man nicht direkt betroffen ist, oder hat das Geschehen direkte Auswirkungen auf die Arbeit der Organisation? Je nachdem kann die Stellungnahme anders ausfallen.
Wie soll auf Druck von außen reagiert werden?
Presseanfragen und der Druck verschiedener Stakeholder müssen strategisch gehandhabt werden. Außerdem sollten Mitarbeitende, die mit Außenkommunikation betraut sind (z. B. Social Media Manager*innen), auf Kritik vorbereitet sein.
Was sind die geeigneten Kanäle für die Kommunikation?
Je nachdem kann eine Pressemeldung geeigneter sein, als ein Social Media Posting – oder auch umgekehrt.
Wie stark wird der Standpunkt vertreten?
Werden andere Standpunkte und Meinungen zu dem Thema toleriert, oder muss eine rote Linie gezogen werden?
Vorteile einer klaren Positionierung
- Profilierung und Glaubwürdigkeit
Eine klare Positionierung schärft das Profil der NGO und stärkt ihre Glaubwürdigkeit. Sie zeigt, dass die Organisation ihre Werte ernst nimmt und bereit ist, dafür einzustehen – selbst wenn sie dafür mit Kritik rechnen muss.
- Reichweite und Medienaufmerksamkeit
Durch ein öffentliches Statement kann die NGO Medienaufmerksamkeit gewinnen, was ihre Sichtbarkeit und Bekanntheit erhöht. Es ist einfacher medial wahrgenommen zu werden, wenn das angesprochene Thema ohnehin gerade die Medien beherrscht.
- Engagement und Mobilisierung
Ein klares Statement kann Unterstützer*innen mobilisieren und das Engagement erhöhen. Wo einerseits zwar auch mit negativen Reaktionen gerechnet werden muss, kann andererseits auch die Bindung von Unterstützenden an die Organisation gestärkt werden. Das kann sich wiederum auf die Spendenbereitschaft auswirken.
- Einflussnahme und Advocacy
Die NGO kann durch eine Stellungnahme Einfluss auf politische Entscheidungen und die öffentliche Meinung nehmen. Das ist vor allem dann strategisch bedeutsam, wenn es sich bei dem Ereignis um etwas handelt, das in den Themenbereich der Organisation fällt.
Nachteile einer klaren Positionierung
- Polarisierung und Verlust von Unterstützenden
Ein Statement zu kontroversen Themen kann Freiwillige, Spendende und Partner von der Organisation entfremden.
- Rufschädigung
Ein schlecht durchdachtes oder missverständliches Statement kann den Ruf der Organisation schädigen. Daher sollte man niemals unbedacht Stellung beziehen.
- Interne Konflikte
Unterschiedliche Meinungen zu politischen Themen können zu internen Spannungen und Konflikten führen.
- Ablenkung von Kernaktivitäten
Die Ressourcen, die für die Erarbeitung und die Bewältigung der Reaktionen auf ein Statement benötigt werden, könnten von den Hauptaktivitäten und Zielen der NGO ablenken.
Kommunikationsstrategien und Intensität
Eine NGO sollte sich darüber im Klaren sein, wie intensiv sie ihr Statement kommunizieren möchte. Das ist eine Stellschraube, die darüber entscheidet, ob und wie die Stellungnahme öffentlich wahrgenommen wird. Das sind die Möglichkeiten:
– Keine Kommunikation: Die NGO entscheidet, überhaupt nicht zu dem Thema zu kommunizieren.
– Reaktive Kommunikation: Die NGO äußert sich nur, wenn sie dazu aufgefordert wird.
– Minimalistische Kommunikation: Die NGO kommuniziert nur das Nötigste, um wichtige Stakeholder nicht zu verärgern.
– Aktive und intensive Kommunikation: Die NGO versucht, Menschen, die ihren Standpunkt teilen, zu mobilisieren oder auch Menschen anderer Meinungen umzustimmen.
– Gewinnorientierte Kommunikation: Die NGO kommuniziert nur dann, wenn sie sich einen Vorteil davon verspricht.
Empfehlungen für eine erfolgreiche Positionierung
Bevor man zu polarisierenden Themen ein Statement verfasst, sollte eine gründliche Analyse der potenziellen Folgen gemacht werden. Welche positiven und negativen Konsequenzen kann ein Statement haben? Ebenfalls wichtig ist es, diese Kommunikation daraufhin zu prüfen, ob sie in die aktuelle Kommunikationsstrategie der Organisation passt – oder ob das Thema so unumgänglich ist, dass eine Abweichung von der Strategie nötig erscheint.
Bei der Vorbereitung der Kommunikation sollte auf Klarheit und Transparenz Wert gelegt werden. Missverständliche Formulierungen können zu verstärkter Kritik führen und der Organisation schaden. Möglicherweise ist es auch ratsam, vor der Veröffentlichung Feedback von den wichtigsten Stakeholdern einzuholen.
Nicht zuletzt muss das Statement glaubwürdig sein – also zu bisherigen Positionen der Organisation und ihren Werten passen.
Ein Abwägen von guten und schlechten Effekten
Die Entscheidung, sich zu polarisierenden weltpolitischen Ereignissen zu positionieren, sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die NGO muss sich fragen, ob ihre Werte und Überzeugungen es wert sind, möglicherweise einen Shitstorm zu riskieren. Ein gut durchdachtes Statement, das zu den Werten und der Mission der Organisation passt, kann jedoch die Glaubwürdigkeit und Authentizität stärken und langfristig Vorteile bringen.
Die Entscheidung erfordert eine sorgfältige Planung und eine klare Kommunikation, um die potenziellen Vorteile zu maximieren und die Risiken zu minimieren. Nur so kann eine NGO mit einem Statement verantwortungsvoll und effektiv ihre Stimme erheben und zur Meinungsbildung beitragen.
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