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Krisenmodus: 7 Tipps für NGOs, um gut durch die Teuerungskrise zu kommen

Seit mehr als zwei Jahren fühlt sich das Privat- und Berufsleben manchmal an, als würde man ein Schiff durch den Sturm segeln – und die dunklen Wolken am Horizont lassen nicht auf Besserung hoffen. Aber noch ist es schwer zu sagen, wie sich die aktuelle Krisensituation auf die Spendenbereitschaft auswirken wird. Blicken wir ins erste Jahr der Covid-19-Krise, können wir aus der heutigen Sicht sagen, dass sich die schlimmen Vorahnungen in Bezug auf die Spendenbereitschaft nicht pauschal bewahrheitet haben. Hoffen wir, dass es auch diesmal nicht so wild wird, wie von manchen befürchtet!

Trotzdem tun NGOs gut daran, sich auf den worst case vorzubereiten. Nur so kann im Fall des Falles rasch reagiert und gegengesteuert werden. In diesem Artikel haben wir – nach ein paar erklärenden Worten zur aktuellen Situation – ein paar Tipps zusammengetragen, die Deiner Organisation dabei helfen werden, die Krise zu überstehen und gestärkt aus ihr hervorzugehen.

 

Große Not und große Hilfsbereitschaft

In zahlreichen Ländern der Welt zeigten sich Menschen mit der Ukraine solidarisch. (Foto von Katie Godowski)
In zahlreichen Ländern der Welt zeigten sich Menschen mit der Ukraine solidarisch. (Foto von Katie Godowski)

Am 24. Februar 2022 konnte noch niemand so richtig ahnen, welche Folgen die russische Invasion in der Ukraine für die ganze Welt haben sollte. Die Solidarität war hoch: Menschen nahmen nicht nur Geflüchtete bei sich zu Hause auf, sondern spendeten auch Rekordbeträge. Allein im März 2022 spendeten die Deutschen fast 600 Mio. Euro für die Not- und Katastrophenhilfe. Zum Vergleich: Im März des Vorjahres waren es 42 Mio. Euro. Auch in Österreich wurden mit 90 Mio. Euro enorme Summen gegeben. 

Dann spürte man auch in Mitteleuropa die ersten Auswirkungen des Krieges. Die alternativlosen Sanktionen brachten die ohnehin schon – durch die Lockdowns und das im Suez-Kanal auf Grund gelaufene Frachtschiff – schwer beeinträchtigten Lieferketten weiter durcheinander. Seit Putin seinerseits mit dem Stopp von Gaslieferungen droht, klettert die Inflation in Höhen, wie wir sie seit rund 40 Jahren nicht mehr hatten. Sie lag in Deutschland im August bei 7,9 %, in Österreich bei 9,3 % und in der Schweiz bei 3,5 %. Betroffen sind – direkt oder indirekt – alle Lebensbereiche: von Lebensmitteln über Freizeit bis hin zu Mieten und Betriebskosten. Das bedeutet für viele Menschen, die kein dickes Sparbuch haben, dass sie sich die Dinge des täglichen Bedarfs kaum noch leisten können.

 

Angst vor Herbst und Winter

Die hohen Preise für Strom und Gas sind der Grund, warum sich viele Menschen vor den Wintermonaten fürchten. Auch am Land – wo häufiger mit Holz oder Pellets geheizt wird – steht man vor enorm gestiegenen Brennstoff-Preisen. Schon im Sommer warnten soziale Einrichtungen wie die Tafeln und Sozialmärkte vor einem Ansturm hilfsbedürftiger Menschen bei gleichzeitig zurückgehenden Nahrungsmittelspenden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Unternehmen kalkulieren besser und haben daher weniger Überschuss, Nahrungsmittel werden vermehrt an Bedürftige in der Ukraine gespendet und Hamsterkäufe sorgen für Engpässe. 

Caritas, Diakonie und Volkshilfe Österreich erwarten keine Besserung in naher Zukunft – sondern eher eine weitere Verschlimmerung. Am schwersten betroffen sind laut Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, Kinder aus einkommensschwachen Familien: Ihre soziale Entwicklung und ihre Gesundheit werden unter der aktuellen Situation leiden und Langzeitfolgen nach sich ziehen. 

Gleichzeitig müssen viele NGOs selbst mit höheren Kosten zurechtkommen, besonders jene, die soziale Einrichtungen betreiben (z. B. Obdachlosen-Unterkünfte, Flüchtlingsheime, Hospize, Jugendzentren usw.). Denn auch sie zahlen erheblich höhere Preise für Strom, Heizung und eventuell nötige Transporte.

 

Zurückhaltung bei Spenden möglich

Viele Menschen spendeten also im ersten Halbjahr für die Ukraine-Hilfe mehr, als sie normalerweise im Jahr geben. Ein Rückgang in den Statistiken des zweiten Halbjahres wäre also kaum überraschend. Was aber noch schwer abzuschätzen ist, ist inwiefern sich die Teuerung noch zusätzlich auf die Spendenbereitschaft auswirken wird. Werden die Spenden im Jahresdurchschnitt annähernd gleich bleiben, oder doch abstürzen? 

Wahrscheinlich wird es stark auf die Zusammensetzung der Spendenden in einer Organisation ankommen. Solche, deren Haupteinnahmen Kleinspenden von weniger vermögenden Menschen sind, werden vielleicht eher einen Spendenrückgang feststellen, als solche, die einen guten Spender*innen-Mix aus Klein-, Groß- und Unternehmensspenden haben.

Spätestens die Weihnachtszeit 2022 wird diese Frage klären – immerhin ist sie die wichtigste Spendenzeit im Jahr. NGOs sollten sich jedoch einen Plan zurechtlegen, um dem Spendenrückgang entgegenzuwirken. Nachfolgend findest Du einige Anregungen und Ideen, wie das auch in Deiner Organisation gelingen kann.

 

7 Tipps für das Fundraising in der Krise

 

1. Eigene “Verwundbarkeit” analysieren

Wer sind Deine Spendenden und wie stark sind sie von der Teuerung betroffen? Eine Analyse hilft dabei, Voraussagen zu machen und rechtzeitig gegenzusteuern. (Foto von fauxels)
Wer sind Deine Spendenden und wie stark sind sie von der Teuerung betroffen? Eine Analyse hilft dabei, Voraussagen zu machen und rechtzeitig gegenzusteuern. (Foto von fauxels)

Wie weiter oben beschrieben, wird es von der Spender*innen-Struktur der jeweiligen Organisationen abhängen, ob und wie stark die Spendeneinnahmen zurückgehen werden. Wie so häufig im Kapitalismus wird die Teuerungskrise vor allem jene mit geringem Einkommen treffen: Studierende, Mindestpensionist*innen, Alleinerziehende, etc. – diese Menschen werden kaum in der Lage sein, zu spenden. Organisationen, die sich hauptsächlich durch viele Kleinspenden finanzieren, sollten jetzt beginnen, auch einkommensstarke Zielgruppen anzusprechen. Im Gegenzug haben Organisationen mit guten Groß- und Unternehmensspenden-Strategien einen klaren Vorteil. 

Analysiere also Deine Bestandsspendenden, sofern möglich. Ein CRM kann hierfür eine große Hilfe sein. So kannst Du besser einschätzen, ob für Deine NGO Handlungsbedarf besteht, oder nicht.

 

2. Setze auf Großspenden

Es gibt viele Unternehmen, die in den vergangenen Krisenjahren große Übergewinne erwirtschaftet haben. Es lohnt sich, hier nachzuhaken und um Unterstützung zu bitten – vor allem gegen Ende des Jahres spenden Unternehmen teils große Summen, um Steuern zu sparen.

Ebenso können vermögende Personen jetzt eine wichtige Stütze für das Gemeinwohl sein. Wie NDR-Kirchenredakteur Klaus Böllert geschrieben hat: Menschen, die rund 60.000 € im Jahr verdienen, geben im Schnitt nur 450 € an Spenden in der Steuererklärung an. Da gibt es also noch ausreichend Luft nach oben.

Sponsoring, öffentliche Förderungen und Stiftungen können auch zu einem stabilen Mix an verschiedenen Spendenquellen zählen. 

 

3. Notlagen kommunizieren

Wenn Deine Organisation in der Vergangenheit Wert auf gute Spender*innen-Beziehungen gelegt hat, kann sich das in Krisen bezahlt machen. Falls ihr in finanzielle Nöte geratet, kommuniziert dies aktiv an eure Kontakte – aktuelle Spendende ebenso wie solche, die vor Jahren das letzte Mal etwas gegeben haben. Die Dringlichkeit wird für viele ein Argument sein, wieder zu spenden bzw. höhere Beträge zu spenden. 

Ganz allgemein sollten NGOs in Krisenzeiten nicht einfach den Kopf einziehen und schweigen, sondern noch mehr kommunizieren als sonst.

 

4. Einsparen – aber an den richtigen Stellen

Erkunde das Einsparungspotential in Deiner NGO. Habt ihr z. B. Tools im Einsatz, deren Funktionen noch gar nicht vollständig genutzt werden, die jedoch Teile der Arbeit erleichtern oder ganz automatisieren können? Ein Beispiel: Spendenquittungen oder Welcome-Mails automatisch erstellen zu lassen, kann Zeit einsparen, die wiederum in verstärkte Fundraising-Aktivitäten fließen kann. 

Homeoffice kann die teure Büromiete einsparen. (Foto von Jan Baborak)
Homeoffice kann die teure Büromiete einsparen. (Foto von Jan Baborak)

Vielleicht habt ihr aber auch schon die nötige Infrastruktur, um im Homeoffice oder remote zu arbeiten, zahlt aber immer noch für ein Büro teure Miete? Das könnte bei Bedarf durch günstigere Co-Working-Spaces ersetzt werden, die oft auch tolle Meetingräume haben. 

Notfalls kann auch bei Programmen und Projekten eingespart werden, auch wenn es schmerzt – dann dafür seid ihr ja letztlich da. Sehr wichtig ist jedoch, nicht in jenen Bereichen zu sparen, die Spenden einbringen – also Fundraising, Marketing, PR. Das würde in einer Abwärtsspirale resultieren, von der eine Organisation sich nur schwer und langwierig erholt.

Wie ich vor einiger Zeit im Artikel Warum nachhaltiges Fundraising Investitionen braucht geschrieben habe: “Ein Teil der eingenommenen Spenden sollte also immer reinvestiert werden, um den zukünftigen Finanzbedarf zu erwirtschaften.

 

5. Downgrading statt Storno

In den meisten Non-Profits wird das ohnehin so gehandhabt, doch gerade in Krisenzeiten wird es noch wichtiger: Dauerspendende, die ihre Spende abbrechen möchten, denken oft gar nicht an die Möglichkeit, stattdessen einfach weniger zu spenden. Ein freundlicher, einmaliger Vorschlag führt dann häufig dazu, dass nicht die ganze Spende verloren ist und die Spendenden der Organisation verbunden bleiben. 

Ist das jedoch nicht gewünscht, oder – im Hinblick auf die Teuerung – nicht möglich, sollten NGOs Verständnis zeigen. Gerade jetzt gibt es viele, die auf jeden Cent achten müssen. Ein angenehmes, verständnisvolles Gespräch bleibt im Gedächtnis und erhöht die Chance, dass verlorene Spendende später wieder reaktiviert werden können.

 

6. Öffentlich in Erscheinung treten

Wie wirkt sich die Krise auf die Begünstigten bzw. den Zweck Deiner Non-Profit aus? Bringt es die Menschen, für die ihr arbeitet, in noch prekärere Lagen? Gerät der Umweltschutz im Angesicht der Teuerung in Vergessenheit? 

Pressemeldungen, Interviews, Social Media-Postings und Kampagnen, die sich mit aktuellem Tagesgeschehen beschäftigen, haben größere Chancen wahrgenommen und von Redaktionen aufgenommen zu werden. Bezieht Stellung zu aktuellen Themen, äußert euch zu politischen Vorhaben und Versäumnissen oder beleuchtet Aspekte, die sonst kaum Erwähnung finden. Die Aktualität schafft zusätzliche Aufmerksamkeit für Deine Non-Profit. 

 

7. Kümmere Dich um Dein Team

Die letzten Jahre waren für uns alle außergewöhnlich und anstrengend. Eine Hiobsbotschaft folgt der nächsten und die Zukunft scheint so ungewiss wie noch nie. Das wirkt sich auf das psychische Wohlbefinden aus. Behalte also nicht nur die Spendeneingänge, sondern auch die Work-Life-Balance und die Motivation Deiner Kolleg*innen im Blick. Ein erfolgreiches Team ist eines, das sich wohl, wahr- und ernst genommen fühlt. Ihr könnt z. B. Workshops machen, in denen für die frühen Anzeichen eines Burn-outs sensibilisiert wird oder evaluieren, ob und warum Kolleg*innen mehr arbeiten, als sie sollten.

 

Jetzt schon an die Zeit nach der Krise denken

Krisen und Stürme haben eines gemeinsam: Irgendwann sind sie vorbei. Damit Deine NPO die Krise nicht nur übersteht, sondern danach auch gleich wieder voll losstarten kann, ist der Fokus auf Fundraising, PR und Marketing wichtig. Intensiviere den Kontakt zu Deinen Spendenden, suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten und melde dich zu Wort. Halte Dein Team zusammen und verlange nicht mehr von Deinen Kolleg*innen, als sie leisten können und wollen. Denn später wird es gut für Deine Organisation sein, wenn sie sich auf ein eingespieltes Team verlassen kann, welches das Schiff zusammen erfolgreich durch den Sturm gesegelt hat.

 

Du möchtest noch mehr über NGO-Management erfahren? Hier geht es zu unserer Themen-Übersicht: NGO Management: Strategien für Krisen, Wandel und nachhaltige Entwicklung

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