Philanthropie als Organisationskultur: Eine strategische Ausrichtung für NPOs

Philanthropie in den Mittelpunkt der Organisationskultur und der strategischen Ausrichtung zu stellen ist eine Möglichkeit, um sie tief in der NPO zu verankern und weitere Strategien darauf aufzubauen. Die philanthropische Ausrichtung ist dabei im Vergleich zu beispielsweise Markt-Orientierung oder Kosten-/Effizienz-Orientierung speziell auf gemeinnützige Organisationen zugeschnitten und kann helfen, wichtige Fundraising-Kennzahlen zu verbessern.

 

Warum ist eine strategische Orientierung wichtig?

Zuerst möchte ich mich dem “Warum” widmen: Warum braucht eine NPO überhaupt eine strategische Ausrichtung?

Eine Strategie beschreibt den Weg, auf dem ein bestimmtes Ziel erreicht wird, das wiederum direkt auf die Erfüllung der Mission einzahlt. Meistens führen mehrere Wege zum Ziel, die unterschiedliche Vor- und Nachteile haben können. Hier setzt die strategische Ausrichtung bzw. Orientierung an: Sie gibt Leitlinien vor, die tief in der Organisation verankert werden und die direkten Einfluss auf die gewählte Strategie haben. 

Im Unternehmens-Kontext gibt es zum Beispiel die Markt-Orientierung – eine Ausrichtung, die gezielt auf Kund*innen-Bedürfnisse eingeht und diese mit passenden Produkten und Dienstleistungen befriedigt. Die Kund*innen stehen hier im Mittelpunkt, alle Strategien des Unternehmens richten sich danach aus. Es gibt viele Studien, die aufzeigen, dass Markt-Orientierung direkt zu einer besseren Unternehmens-Performance führt. 

Philanthropische Orientierung wirke sich laut Prof. Adrian Sargeant und Emma Bryant ebenso auf die Fundraising-Ergebnisse von NPOs aus. Außerdem verbessere sie das Selbstbewusstsein von Fundraiser*innen und die Mitarbeiter*innen-Loyalität. 

 

An organization’s strategic orientation is important because it shapes the strategy it will implement to create the behaviours necessary to sustain or enhance its overall performance.

(Gatignon and Xuereb 1997; Slater et al. 2006)

 

Philanthropie – was ist das?

Eine der frühesten Definitionen von Philanthropie ist – hergeleitet aus den griechischen Wörtern philos und anthropos – die “Liebe zur Menschheit”. (Johnson’s Dictionary, 1755)

Das Center for Philanthropy Studies der Universität Basel ergänzt: “Philanthropie umfasst jede private freiwillige Handlung für einen gemeinnützigen Zweck.”

Damit sind alle Menschen, die von sich aus etwas Gutes für die Gemeinschaft tun, Philanthropen – angefangen bei Mutter Theresa, über Bill Gates bis hin zu Oma Erna, die regelmäßig und gerne für obdachlose Menschen spendet.

Philanthropische Handlungen sind also immer selbstlos und drücken starke Werte aus. Sie sind eine Form ethischen Handelns und hat das Wohlbefinden Anderer zum Zweck. Kant definiert einen Menschenfreund bzw. Philanthropen als jemanden, der am Wohlsein der Menschen Vergnügen findet und dem wohl ist, wenn es jedem Anderen wohlergeht. 

 

Was ist eine Philanthropische Organisationskultur?

Und was bedeutet es nun, Philanthropie in die Organisationskultur zu übernehmen? Laut Prof. Sargeant und Emma Bryant das hier:

 

“An organization with a high degree of philanthropic orientation will be very receptive to, and welcoming of, a variety of philanthropic sources of income. It is also an organization that recognizes the unique nature of philanthropy and the central role that whole-organization stewardship can play in developing that philanthropy
and the wellbeing of those who might offer it.”
(Sargeant/Bryant 2017)

 

Laut ihnen gibt es 10 Faktoren, die bei der Entwicklung einer philanthropischen Ausrichtung wichtig sind. Diese sind:

  • Spender*innen-Zentrierung
  • Philanthropischer Organisationskern
  • Feiern von philanthropischen Erfolgen
  • Qualität des Spendenzwecks
  • Engagement des Vorstands
  • Professionelles Engagement
  • Innovationskultur
  • Einnahmen-Wachstum
  • Spender*innen-Bindung
  • Fundraiser*innen-Identität

Daraus lässt sich bereits erkennen, dass eine philanthropische Ausrichtung die gesamte Organisation – und nicht nur die Fundraising-Abteilungen – umfassen muss. Das Rückgrat dieser Ausrichtung ist jedenfalls die: 

 

Spender*innen-Zentrierung (Donor Centricity)

Das bedeutet, dass ein sehr hoher Fokus auf die Bedürfnisse der Spendenden gelegt wird. Sie werden nicht nur als Cash-Cows betrachtet, sondern als Individuen mit einem eigenen Set an Werten und Bedürfnissen. Diese Bedürfnisse zu befriedigen, ist das wichtigste Ziel der gesamten NPO. Psycholog*innen haben die wichtigsten, fundamentalen Bedürfnisse definiert:

  • Das Gefühl der Verbundenheit zu anderen Menschen
  • Das Gefühl, Liebe zu anderen ausdrücken zu können
  • Autonomie/Selbstbestimmung
  • Persönliches Wachstum
  • Klarheit beim persönlichen Lebenszweck
  • Selbstakzeptanz

Diese Bedürfnisse sollten bei jeder Interaktion mit den Spendenden im Mittelpunkt stehen. Mitarbeitende können bei jedem Kontakt dazu beitragen, eines oder mehrerer davon zu befriedigen. 

 

Philanthropie im Organisationskern

Die philanthropische Ausrichtung muss im Kern einer Organisation verankert sein. Alle Bereiche müssen daran arbeiten, Philanthropie in Menschen zu wecken und zu fördern. Dieser Punkt stellt das Fundraising in den Mittelpunkt – nicht nur als zentrales Finanzierungsmittel, sondern größer gefasst als Weg, Menschen für den Zweck der Organisation zu begeistern.

Hier knüpft auch der Aspekt “Engagement des Vorstands” an, denn gerade jene an der Spitze einer Organisation haben eine Vorbildwirkung und können inspirierend auf Mitarbeitende und Spender*innen wirken. Geschäftsführende und Vorstände sollten erheblich dazu beitragen, philanthropische Erfolge feiern zu können.

Gemeinsam stolz auf philanthropische Erfolge zu sein gehört zu den wichtigsten Aspekten einer philanthropischen Ausrichtung.

Feiern philanthropischer Erfolge

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Stolz der Organisation auf ihre finanziellen Erfolge. Damit einher geht auch eine hohe Wertschätzung für jene, die die Erfolge herbeigeführt haben und des gesamten Fundraising-Bereichs.

 

 “(…) money and mission should be seen as one in the same thing.”
(Sargeant/Bryant 2018)

 

Das bedeutet weiter gefasst, dass die Befriedigung von Spender*innen-Bedürfnissen – die wiederum zu höheren Einnahmen führt – jener von Begünstigten-Bedürfnissen gleichgestellt wird. Spender*innen und Begünstigte erfahren damit dieselbe Wichtigkeit. 

Zu dieser Wertschätzung und Gleichsetzung von Geld und Mission trägt auch der Aspekt “Professionelles Engagement” bei. Er beschreibt eine Organisationskultur, die Fundraiser*innen als Professionalist*innen betrachtet, berufliche Vernetzung und Weiterbildung fördert und sie nicht bloß als Geldeintreiber betrachtet. Das trägt natürlich auch dazu bei, dass das Selbstbewusstsein von Fundraiser*innen steigt und der Beruf auch als identitätsstiftend wahrgenommen wird (“Fundraiser*innen-Identität”). 

 

Qualität des Spendenzwecks

Hier geht es darum, wie der Zweck einer Organisation kommuniziert wird. Es kommt sehr häufig vor, dass im Zentrum dieser Erzählung das “Was” steht. Die Begünstigten haben ein Problem, das die Organisation lösen möchte. Dadurch wird es zum Problem der Organisation (die ihr “Was” umsetzen möchte) und Spendende verlieren die direkte Verbindung zu den Begünstigten. Eine philanthropische Orientierung führt zu anderen Erzählungen: Dabei steht das “Warum” im Fokus. Warum tut die NPO, was sie tut? So entstehen emotionalere und mitreißendere Geschichten.

 

Philanthropie ins Zentrum

Mit diesem Modell für eine strategische Ausrichtung können NPOs ihre Fundraising-Performance verbessern, indem sie Philanthropie – und damit auch Fundraising als Ermöglicher von Philanthropie – ins Zentrum stellen. Manche mögen jetzt denken: “Aber unsere Mission / unsere Begünstigten stehen bei allem im Mittelpunkt, und das ist auch gut so!”

Philanthropische Orientierung steht dem nicht entgegen, sondern geht sogar noch einen Schritt weiter: Die Mission einer NPO kann nicht erreicht werden, wenn sie nicht zahlreiche unterstützende Philanthrop*innen an ihrer Seite hätte. Der Fokus auf diese Unterstützer*innen kommt damit auch direkt der Sache und den Programm-Zielgruppen zugute. 

 

 

 

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