Spendenmotivation: Warum Menschen helfen und geben

Im Fundraising befassen wir uns täglich damit, Menschen zum Spenden zu bewegen. Die Kenntnis darüber, warum Menschen geben – also ihre Spendenmotivation – kann eine große Hilfe dabei sein, Kampagnen zu gestalten, die richtigen Geschichten zu erzählen und die passenden Calls-to-Action zu finden. Denn nicht alle Menschen spenden aus reiner Nächstenliebe – im Gegenteil: Häufig stehen egoistische Motive und persönlicher Mehrwert im Vordergrund.

Welche der vielen möglichen Motive bei einer Person zutreffen, hängt stark von der persönlichen Entwicklung, der Sozialisierung, dem Spendenzweck und dem Umfeld der Person ab. Die tatsächliche Spendenmotivation ist also etwas sehr individuelles, dennoch lassen sich bestimmte Kategorien unterscheiden.

 

Externe vs interne Faktoren

Grob können die Motivationen in externe und interne Faktoren eingeteilt werden. Zu den externen Faktoren für Spendenmotivation gehören zum Beispiel Anreize und Belohnungen, Umwelteinflüsse und Katastrophen, Vertrauen in die Organisation, das Image der Organisation, Spendenaufrufe, steuerliche Begünstigungen, etc.

Interne Faktoren sind vor allem solche, die der Persönlichkeit des Spendenden entspringen und grundlegende Bedürfnisse ausdrücken. Mit ihnen will ich mich in diesem Artikel näher befassen, denn sie wirken in jedem Menschen – nur in unterschiedlicher Ausprägung. Dafür scheint mir das Züricher Modell der sozialen Motivation sehr geeignet, dass die drei Motivationen Sicherheit, Autonomie und Erregung zugrunde legt. 

 

Züricher Modell der sozialen Motivation

Das Modell des deutschen Psychologen Norbert Bischof erklärt die Verhaltenssteuerung des Menschen. Demzufolge wird unser Verhalten vor allem durch die Motive Sicherheit, Autonomie und Erregung beeinflusst. Je nach Persönlichkeit dominiert eines dieser Motive.

 

Sicherheit

Diese Motivation beschreibt das Streben nach Sicherheit und Geborgenheit. Menschen, die stark durch das Sicherheitsmotiv beeinflusst werden, suchen Vertrautheit und Anschluss. Stabilität, Ruhe, Ordnung und Berechenbarkeit sind ihnen sehr wichtig. Fürsorge und Hilfsbereitschaft stehen im Mittelpunkt, weil das Sich-umeinander-kümmern eine sichere Gemeinschaft schafft. Risiken werden in der Tendenz lieber abgelehnt.

 

Erregung

Hier steht das Streben nach Neuem und nach Abwechslung im Vordergrund. Dazu gehören auch der Spieltrieb und die Entdeckungsfreude. Menschen, bei denen das Erregungsmotiv dominiert, suchen stets nach neuen Erfahrungen und Erlebnissen, sind offen gegenüber Fremdem und sehr neugierig. Langeweile und Wiederholung schreckt diese Menschen ab.

 

Autonomie

Bei Menschen mit starkem Autonomiemotiv steht das Streben nach Macht, Leistung, Geltung und Selbstwert im Vordergrund. Sie möchten Unabhängig sein und sich gegenüber anderen Durchsetzen. Erfolg und Image ist ihnen sehr wichtig und sie mögen es, zu gewinnen und sich besonders zu fühlen.

 

Motivationen für prosoziales Handeln

Prosoziales Handeln bezeichnet ein Verhalten, das das Wohl anderer fördert, ohne eine direkte Gegenleistung zu verlangen. Spenden oder auch freiwilliges Engagement zählen zu solchen Verhaltensweisen, die sich durch unterschiedliche Spendenmotivationen begründen können. Diese lassen sich wiederum den drei Kategorien nach Bischof zuordnen.

Im Folgenden beleuchte ich einige der Motive, die prosoziales Handeln hervorrufen.

 

Altruismus und “warm glow”

Ob es reinen Altruismus wirklich gibt, ist nach wie vor eine Streitfrage der Wissenschaft. Manche behaupten, das Menschen aus rein altruistischen Gründen handeln können, also ohne einen Vorteil für sich daraus zu ziehen. Andere wiederum bezweifeln das: Laut ihnen gibt es immer auch egoistische Motive bei vermeintlich altruistischen Handlungen. 

Helfen macht glücklich - dieses gute Gefühl ist eine starke Spendenmotivation.

Letzteres wird auch durch die Neurowissenschaften und konkrete Reaktionen in unserem Gehirn untermauert: Geben macht tatsächlich glücklich. Das hat der Schweizer Philippe Tobler in seinen Forschungen herausgefunden. Im Gehirn gibt es eine nachweisbare Verbindung zwischen Großzügigkeit und Glücksgefühlen. Durch prosoziales Verhalten wird ein Hirnareal aktiviert, das in Zusammenhang mit selbstlosen und uneigennützigem Handeln steht. Es kommuniziert auffällig stark mit jenem Bereich des Gehirns, der für Glücksgefühle zuständig ist. 

So erklärt sich das angenehm warme Gefühl, das man erlebt, wenn man teilt,schenkt, spendet, sich um andere kümmert und ihnen hilft. Es wird auch “warm glow” genannt. 

Dieser “warm glow” könnte zu den egoistischen Motiven gehören, die vielleicht hinter Altruismus stehen: Selbstloses Handeln führt immer zu einem angenehmen, guten Gefühl und bringt daher emotionalen Mehrwert. Für das Spenden bedeutet das: Wer mit Leid konfrontiert ist (zum Beispiel durch die Kommunikation einer Organisation), fühlt sich schlecht – Spenden gleicht dieses schlechte Gefühl wieder aus und macht glücklich.

Unterm Strich lässt sich Altruismus also dem Sicherheits-Motiv zuordnen (Fürsorge, Hilfsbereitschaft), aber auch dem Autonomie-Motiv (Belohnung, Selbstwertgefühl).

 

Empathie und Mitgefühl

Manche Menschen sind sehr empathisch und fühlen stark mit anderen mit. Sie fühlen sich also selbst schlecht, wenn sie vom Leid anderer erfahren und haben den Wunsch, zu helfen. Sie sprechen stark auf persönliche Schicksale von Individuen und emotionale Bilder an. 

Empathischen Menschen ist es wichtig, dass ihre Hilfe einen Unterschied macht, damit sie einen direkten Zusammenhang zwischen ihrer guten Tat und der Verminderung des Leids sehen können. Sie spenden, um den “warm glow” zu empfinden und sich besser zu fühlen. Das Sicherheits-Motiv kommt auch hier in Form von Zusammenhalt und Gemeinschaft zu tragen.

 

Zugehörigkeitsgefühl und Gemeinschaft

Wer an eine Organisation spendet, wird Teil ihrer Community. Vor allem regelmäßige Spenden, Patenschaften und Mitgliedschaften sorgen dafür, dass Menschen sich zugehörig fühlen. Das ist eine sehr starke Spendenmotivation, da wir sozial eingestellte Wesen sind und eine Gemeinschaft bzw. Gruppenzugehörigkeit zu unseren Grundbedürfnissen zählt. Es verleiht nicht nur Sicherheit, sondern kann auch das Erregungsmotiv bedienen: Organisationen, die ihren treuen Spendenden Abwechslung und spannende Services bieten, sprechen die Neugierde in den Menschen an. 

Gemeinschaft und Zugehörigkeitsgefühl sind ebenfalls starke Motive für Spenden und Ehrenamt.

Gesellschaftliche Verpflichtung und soziale Verantwortung

Für manche Menschen ist Spenden eine fixe Verpflichtung, um ihrer gefühlten sozialen Verantwortung nachzukommen. Oft ist ihnen bewusst, dass es ihnen sehr gut geht, weshalb sie sich in der Pflicht fühlen, aus ihrem sicheren Leben heraus anderen zu helfen oder die Gesellschaft zu einem besseren Ort zu machen. 

Menschen, bei denen dieses Motiv stark ausgeprägt ist, ziehen starke Befriedigung daraus, ihre Pflicht zu erfüllen und etwas zurückzugeben. Häufig ist das auch mit religiösen Überzeugungen und Traditionen verbunden – viele Religionen predigen das Teilen mit jenen, die weniger haben. 

Nach Bischofs Motiven kann dieser Antrieb für prosoziales Verhalten unter das Sicherheits- und das Autonomie-Motiv fallen. Einerseits geht es um Fürsorge und Gemeinschaft, andererseits um das gute Gefühl, etwas für das Gemeinwohl zu leisten und eine wichtige Rolle dabei zu spielen.

 

Ausdruck von Überzeugungen und Werten

Auch die eigenen Überzeugungen und Werte sind relevant: Je besser sie mit dem Spendenziel übereinstimmen, desto eher spenden Menschen. Vor allem Personen, denen Chancengleichheit oder eine Gleichverteilung von Ressourcen wichtig ist, spenden häufiger und mehr. 

Für Menschen, die ihre Spendenmotivation eng mit ihrem Werteset verknüpft haben, ist es nicht nur der Wunsch Gutes zu tun, sondern auch eine Art der Selbstverwirklichung, zu spenden. Sie empfinden den guten Zweck als Teil ihrer Identität und schöpfen Selbstwert daraus, sich zu engagieren. 

Am ehesten stehen hier Autonomie-Motive im Hintergrund: Sie gewinnen durch das Geben an Selbstwert und empfinden es als Teil ihres Images. 

 

Persönliche Verbindung oder Betroffenheit

Eine weitere Spendenmotivation speist sich aus persönlichen Verbindungen zum Spendenzweck. Diese Menschen sind entweder selbst Teil der durch den Spendenzweck begünstigten, oder haben durch andere betroffene Menschen eine starke Verbindung. Sie erleben die Arbeit der Organisation als direkten Mehrwert und schätzen die angebotenen Services.

Dieses Spendenmotiv ist ein sehr starkes, da keine abstrakte Überzeugung im Hintergrund steht, sondern ganz lebenspraktisch Nutzen aus der Arbeit der Organisation gewonnen wird. Je nachdem, wie die Verbindung konkret aussieht, können alle drei übergeordneten Motivationen zutreffen. 

 

Image und soziale Anerkennung

Für manche Menschen ist zivilgesellschaftliches Engagement ein wichtiger Teil ihres Images. Sie sind oft Mitglieder in philanthropischen Vereinen und Clubs und mögen es, öffentlich für ihre meist großen Spenden bedankt zu werden. Sie spenden, weil es Teil ihres Selbstverständnisses ist und weil es ihnen soziale Anerkennung bringt. 

Hier steht das Autonomie-Motiv im Vordergrund: Sie fühlen sich durch ihr finanzielles Engagement besonders und möchten auch so behandelt werden. Spenden sind für sie eine Leistung, durch die ihr soziales Ansehen steigt.

Soziale Anerkennung und Image ist besonders für Großspender*innen oft sehr wichtig.

Spendenmotivation herausfinden und verwenden

Um deine Spender*innen-Daten mit der individuellen Motivationskategorie zu ergänzen, könntest Du ganz einfach direkt fragen. Umfragen, die Spendende um Antworten bitten, können dafür sehr aufschlussreich sein. Überlege Dir fragen, die Dir dabei helfen, die Spendenden in für Dich sinnvolle Kategorien einzuteilen – einige Anregungen dafür hast Du ja jetzt schon erhalten.

Mit diesen Informationen kannst Du dann einzelne Selektionen erstellen und Deine Spendenden noch gezielter ansprechen. Wenn Du die Spendenmotivationen Deiner Spendenden kennst, sind sehr individuelle und erfolgversprechende Spendenaufrufe möglich.

 

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