Wie ein BGE die Zivilgesellschaft beeinflussen könnte

Die Idee eines bedingungsloses Grundeinkommens ist längst keine reine Utopie mehr – weltweit gibt es zahlreiche Versuchsläufe, Studien und Programme, die das Konzept untersuchen und in die Realität umsetzen. Auch wenn ein paar Fragen noch geklärt werden müssen und die Umstellung auf ein BGE nicht ohne Reibungen vonstatten gehen würde, hat die Idee großes Potential, viele Missstände in der Gesellschaft zu beseitigen. 

In diesem Artikel wagen wir das Gedankenexperiment eines nationalen oder staatenübergreifenden BGEs und fragen, was es für Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft und im speziellen auf NPOs haben könnte. 

 

Was ist die Grundidee eines BGEs?

Das Grundlegende ist einfach: Alle Menschen bekommen vom Staat ein Grundeinkommen ohne Gegenleistung, das zur Existenzsicherung beitragen soll. Damit würde das Recht zu Existieren und zu Leben von Arbeit entkoppelt – Leistung ist also kein Kriterium mehr für ein Leben ohne Armut. Dieses Grundeinkommen wird auch zusätzlich zu etwaigen Einkommen aus Arbeit ausgezahlt, ist also nicht mit einem Arbeitslosengeld oder ähnlichem zu vergleichen. 

Zur Finanzierung des BGEs gibt es mehrere Modelle und Möglichkeiten, die aktuell von verschiedenen Institutionen berechnet und geprüft werden. Allerdings wissen wir heute bereits, dass es durchaus möglich wäre. Mehr zu diesem Thema findest Du in den Links am Ende des Artikels.

 

BGE: Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft

Ein BGE würde vieles in unserer Gesellschaft verändern und in zahlreichen Bereichen des Lebens spürbar sein. Natürlich würde es den Arbeitsmarkt umkrempeln, aber auch Armutsbekämpfung, persönliche Entwicklung, Gesundheit und vieles mehr wären davon betroffen.

 

Arbeitsmarkt und Beschäftigung

Ein BGE würde den Arbeitsmarkt tiefgreifend verändern, da Menschen nicht mehr zwingend auf einen Job angewiesen wären, um ihre Fixkosten zu decken. Arbeit wäre dadurch kein Selbstzweck mehr, sondern würde am realen Wert für die Gesellschaft gemessen werden. Systemrelevante Berufe würden in den Fokus rücken und besser bezahlt werden (z. B. Pflegeberufe), da sie unverzichtbar für die Gesellschaft wären. Die Arbeitsbedingungen würden sich sehr wahrscheinlich überall verbessern, da es für Unternehmen viel schwieriger wäre, Mitarbeitende zu finden, die Jobs zu miesen Bedingungen machen würden. Flexible Arbeitsmodelle und Teilzeit wären verbreiteter. Die Menschen hätten die Freiheit, zu tun was ihnen sinnvoll erscheint.

Für NPOs bedeutet das, dass das Ehrenamt gestärkt werden würde. Menschen möchten etwas tun und Sinn dabei empfinden – wäre der Existenzdruck weg, würden sich bestimmt viele ehrenamtlich engagieren. Außerdem würde die gesamte NPO-Branche einfacher gute Mitarbeitende finden, da durch die existenzielle Absicherung eine höhere Bereitschaft bestehen würde, zu niedrigeren Gehältern eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben. 

Die Mitarbeiter*innen wären aufgrund des geringeren Drucks und weniger Stress gesünder und zufriedener – und damit auch produktiver. Sie hätten bessere Möglichkeiten, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Care-Arbeit und Pflege von Angehörigen wären finanziell viel einfacher umzusetzen.

 

Soziale Gerechtigkeit und Armut

Da ein BGE existenzielle Sicherheit gibt, gäbe es weniger Armut und Obdachlosigkeit. Personen, die heute davon betroffen sind, hätten bessere Chancen an der Gesellschaft teilzuhaben und sich ein gutes Leben aufzubauen. Auch für Leute, die aufgrund von Krankheit und Behinderung keinen Vollzeit-Job ausüben können, könnten durch mehr Teilzeit-Angebote und flexiblere Arbeitsmodelle besser in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt integriert werden. Ein BGE würde sich also sehr positiv auf marginalisierte Gruppen auswirken. 

So könnte ein BGE die Ungleichheit in der Gesellschaft verringern und Menschen aus armen Verhältnissen bessere Chancen ermöglichen. Kinder aus armen Verhältnissen müssten nicht mehr so früh wie möglich Geld verdienen, sondern könnten eine bessere (Aus-)Bildung genießen.

NPOs, die sich heute mit diesen Problemen befassen, müssten eventuell ihre Programme und Projekte einer Neubewertung unterziehen, da sie in den existierenden Formen nicht mehr nötig wären. Nichtsdestotrotz würde sich auch mit einem BGE der Bedarf an Unterstützungsangeboten nicht verringern – nur verändern.

Lange Schlangen vor Suppenküchen und anderen Hilfseinrichtungen wären mit einem BGE passé. (Bild generiert von DALL-E)

Weiterbildung und persönliche Entwicklung

Es gibt viele Menschen, die davon träumen, etwas ganz anderes als ihren derzeitigen Brot-Job zu machen. Sie möchten sich weiterbilden, Neues ausprobieren und sich weiterentwickeln. Mit einem BGE wäre das einfacher möglich. Dadurch würde sich das Bildungsniveau der Gesellschaft erhöhen – eine Voraussetzung für die Lösung vieler aktueller Probleme.

NPOs könnten dadurch qualifiziertere Mitarbeitende finden, die durch ihr Wissen die Innovation fördern, oder das bestehende Team besser weiterbilden. Auch wären Bildungsangebote von gemeinnützigen Einrichtungen einfacher wahrnehmbar und hätten vermutlich größeren Zulauf.

Stärkung der Zivilgesellschaft und demokratischer Prozesse

Fällt der Existenzdruck weg, haben Menschen mehr Zeit für Tätigkeiten außerhalb von Lohnarbeit. So könnten mehr gemeinnützige Projekte in Angriff genommen werden, selbst wenn diese nicht unmittelbar profitabel wären. Sie könnten sich Problemen widmen, die durch ein BGE nicht beseitigt werden würden (z. B. Klimaschutz).

Außerdem hätten Menschen mehr Zeit und Möglichkeiten, sich in demokratischen Prozessen zu involvieren. Sie könnten sich mehr mit Politik befassen und für sie sinnvolle Initiativen unterstützen. 

NPOs, die sich mit politischer Bildung, Lobbying und dergleichen befassen, würden auf mehr offene Ohren stoßen und könnten ihr politisches Gewicht dadurch vergrößern.

 

Spendenbereitschaft

Wer mehr Geld und keine Existenzsorgen hat, gibt auch mehr. Menschen, die zusätzlich zum BGE ein Einkommen beziehen und dadurch nicht zwingend auf das Grundeinkommen angewiesen sind, können eine höhere Spendenbereitschaft an den Tag legen. NPOs könnten mit diesen zusätzlichen Finanzen mehr Impact in ihren Bereichen erzielen und damit einen noch größeren Einfluss auf die Gesellschaft ausüben.

 

Fokus auf langfristige Verbesserungen

Durch ein BGE wären weniger Soforthilfemaßnahmen durch gemeinnützige Organisationen und Vereine nötig. Die gesteigerte soziale Sicherheit würde Menschen vor solchen Notsituationen bewahren. Dadurch können NPOs ihre Ressourcen für Programme und Projekte einsetzen, die eine langfristige Wirkung haben und strukturelle Veränderungen fördern.

Krisen könnten besser überstanden werden, da eine Grundsicherung vorhanden ist. Dadurch würde sich der Druck auf Organisationen in Krisenzeiten ebenfalls verringern.

 

Partizipation und Empowerment

Wer finanziell abgesichert ist, hat auch mehr Freiraum, um für seine Rechte einzutreten und sich in Entscheidungsprozesse einzubringen. Das ist besonders für aktuell marginalisierte Gruppen relevant, die häufig auf Fürsprecher angewiesen sind, da sie selbst keine Möglichkeiten haben zu partizipieren. NPOs könnten weitere Barrieren für Teilhabe in Angriff nehmen – z. B. sprachliche Hürden, Verständnis von Prozesen, etc. So können sie dazu beitragen, dass Menschen aus ihren marginalisierten Rollen heraustreten können.

Ein BGE könnte auch Empowerment fördern. Zum Beispiel wären Frauen, die unter häuslicher Gewalt leiden, nicht mehr finanziell von dem Mann abhängig und könnten so einfacher aus der Situation entkommen. NPOs, die in entsprechenden Bereichen arbeiten, könnten ihren Begünstigten dadurch also noch besser helfen.

 

Innovation

Innovation ist sowohl auf gesellschaftlicher Ebene (z. B. neue, umweltfreundliche Technologien), als auch auf Organisations-Ebene (z. B. neue programmatische Ansätze) wichtig. Ohne Existenzdruck kann sich kreatives Potential besser entfalten, wodurch die Innovationskraft gestärkt wird.

NPOs könnten dadurch ganz neue Wege bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme gehen und innovative Ansätze testen. 

 

Mögliche Verschärfung von Problemen

Es gibt aber auch mögliche negative Auswirkungen eines BGE. So hätten beispielsweise suchtkranke Menschen mehr Geld, um ihre Sucht zu finanzieren – wodurch sie noch tiefer abrutschen könnten. In solchen Bereichen könnten neue gemeinnützige Initiativen entstehen, oder sich neue Betätigungsfelder für NPOs ergeben.

 

BGE – wie soll das genau gehen?

Es gibt zahlreiche Einwände und Fragen, wenn es um das Thema BGE geht. Viele davon konnten bereits beantwortet werden, andere sind noch offen. Im Internet gibt es gute Ressourcen für alle, die sich genauer einlesen möchten, zum Beispiel hier:

Mein-Grundeinkommen.de – Grundlegende Fragen und Antworten

Bundeszentrale für politische Bildung – Finanzierungskonzepte und Modellversuche

Bundesfinanzministerium – Umfassendes Gutachten

 

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