Wir sind, was wir geben. FundraisingBox im Interview mit Frank Schneider
Unsere Interviewreihe geht weiter. Das erste Interview haben wir mit Philipp Rosenthal geführt. Mit „Wir sind, was wir geben.” erhaltet ihr einen einmaligen und ganz persönlichen Einblick in die Geschichte von Menschen, die sich in unserer Gesellschaft engagieren.
Etwas ganz Besonderes geben uns diese Menschen bereits. Nämlich einen privaten Einblick in ihre „Motivation”, ihr „Spendenverhalten” und ihren „Beweggrund”, welcher sich in Teilen auf jeden Einzelnen von uns ableiten lässt. Wir erfahren, warum sich ein Engagement in einem bestimmten Moment gut anfühlt oder wie wir angesprochen werden möchten.
Die Erfahrungswerte unserer Interviewpartner lassen sich für unser eigenes Handeln, ob nun als Individuum oder als eine Non-Profit Organisation, ableiten. Weiteres erfahrt ihr gleich zu Beginn im ersten Interview.
Frank Schneider, ein Visionär, der es mit seinem Geschäftspartner Christian Muche und einem starken Team geschafft hat, mit der dmexco (digital marketing exposition and conference) die weltweit größte Messe und Konferenz der digitalen Wirtschaft am Standort Deutschland nicht nur ins Leben zu rufen, sondern diese Veranstaltung auch als internationalen – the place to be – zu etablieren. Mit über 50.000 Besuchern ist diese bis dato unübertroffen und sucht ihresgleichen.
Die digitale Branche auf eine „Bühne” zu bringen und in Köln erlebbar zu machen ist ein tolles Beispiel, wenn Menschen an eine Vision glauben. Wie Frank.
Nach seinem Ausscheiden, welches nicht nur in der digitalen Branche akribisch beäugt und diskutiert wurde, sondern auch in unzähligen Artikeln nachzulesen ist, widmet Frank nun seine Zeit der D:PULSE (Digital Pulse). Es ist ein neues Konzept. Als Beschreibung für die Veranstaltung passt mit Sicherheit das Wort Boutique-Konferenz. Der Mann bleibt sich treu, den Puls der Zeit zu spüren, weg von gigantischen Veranstaltungshallen, hin zu einer hochqualifizierten Matchmakingveranstaltung im Lifestyle-Ambiente.
Der sehr erfolgreiche Auftakt fand dieses Jahr in Zürich statt, die Deutschlandpremiere folgt 2020 in Berlin, ebenso Veranstaltungen in Wien und Tokio. Aber damit nicht genug, London, Shanghai und Tel Aviv tauchen ebenso auf der Liste der globalen Business Conference Netzwerkserie auf. Wir sind sehr gespannt!
Wir durften mit Frank sprechen, um herauszufinden, wie seine Einstellung zu Spenden in der heutigen Zeit ist. Dieses Jahr hat er zum Beispiel erstmalig seine Freunde über Facebook um eine Spende zu seinem Geburtstag gebeten. Zu dieser Spendenaktion erfahrt ihr mehr im Interview.
Frank Schneider im Interview mit FundraisingBox. #WirSindWasWirGeben
Bleiben wir uns treu und beginnen, wie auch bei Philipp: Wo findet man Dich überall im Netz?
Es gibt ein paar Kanäle, über die ich erreichbar bin. LinkedIn, XING und Facebook sind mit Sicherheit gute Anlaufstellen, natürlich neben den Kontaktmöglichkeiten, die wir auf unserer D:PULSE Website bereitgestellt haben.
Was bedeutet Dir spenden?
In meiner Kindheit ging es mir sehr gut, ich bin bei meinen Großeltern aufgewachsen und, wie bei allen Großeltern, werden die Enkel immer besonders verwöhnt. Mir fehlte es an nichts und selbst als Kind hatte ich ab und zu das Gefühl, dass ich „zu gut” versorgt war. Ich bin auf dem Dorf groß geworden und dort war die Kirmes ein Jahres-Höhepunkt. Dort traf ich auf andere Kinder; nicht alle konnten die Tickets für die Fahrgeschäfte kaufen. Ich habe dann Kinder eingeladen gemeinsam mit mir in der Rakete zu „fliegen” oder im Auto-Selbstfahrer (Anm. F.S.: so hieß das früher) zu fahren. Ich hatte damals schon das Bedürfnis andere ebenfalls an diesen Dingen teilhaben zu lassen. Warum weiß ich gar nicht so genau. Ein Grund war sicher, dass mir die Kinder leid taten und dass ich es als „ungerecht” empfand, dass einige Kinder nicht diesen Spaß haben konnten. Das waren so gesehen keine Spenden, aber ich hatte das Gefühl etwas Gutes zu tun.
Um die Frage zu beantworten: Spenden, in welcher Form auch immer, bedeutet mir, dass ich Menschen, denen es nicht so gut geht, helfen kann und ihnen hoffentlich darüber hinaus ein paar schöne Momente bescheren kann, wie bei der Tafel.
Hast Du dann als Jugendlicher regelmäßig die Tafel unterstützt?
Ja, und zu Weihnachten und an anderen Tagen haben meine Eltern und Großeltern gespendet und in unserem Kaufhaus Weihnachtsgeschenke/Speisen für Bedürftige gekauft, die dann durch Organisationen in unserem Ort verteilt wurden.
Das heißt, durch Deine Eltern und Großeltern hast Du dies vorgelebt bekommen?
Ja, wie gerade dargelegt. Was ich aber noch erzählen möchte: Meine Großeltern und Eltern haben mir von Kind an alle Möglichkeiten gegeben, mich frei zu entfalten und mich in die Welt geschickt. So war ich mit 16 und 17 in Familien in den USA und England. Ich konnte viele Länder bereisen und unterschiedliche Menschen und Kulturen kennenlernen. Auch meinen Hockeysport haben sie gefördert, was am Ende dazu führte, dass ich Bundesliga- und Nationalspieler (Captain Schweiz) wurde. Diese Erfahrungen haben mir später in meiner globalen Tätigkeit sehr geholfen.
Das war jetzt etwas weit ausgeholt, aber meine Großeltern und Eltern haben mir neben Ihrer Unterstützung immer vermittelt, dass das alles nicht selbstverständlich ist und dass ich ein „privilegiertes Leben” führe und daher auch für andere Sorge tragen sollte. Das habe ich auch so empfunden und habe mich daher intensiver mit der Thematik des Helfens auseinandergesetzt. Als Schüler und Student habe ich bereits ein wenig Geld gespendet und nach einem jeden Hockey-Turnier mit der Nationalmannschaft, alle meine mitgeführten Hockeyschläger an Kinder und Jugendliche in dem jeweiligen Land verschenkt. Dies hat mich in meiner persönlichen Entwicklung sehr geprägt.
Was meinst Du mit intensiver mit der Thematik auseinandergesetzt, Frank?
Ich habe gesehen, vor welchen Herausforderungen andere Kinder in der Welt stehen. Da war an Kirmes, Sport und das bereisen ferner Länder gar nicht zu denken. Viel schlimmer, Armut, kein Zugang zu sauberem Trinkwasser oder gar überhaupt zu Wasser, schlichtweg existentielle Probleme bestimmten das Leben dieser Kinder. Man muss sich nur einmal vorstellen, der Zufall wo Du geboren bist, bestimmt welches Leben Du bekommst. Leider geht es den meisten Menschen auf der Welt nicht so gut wie uns in Mitteleuropa. Diese Erfahrungen haben mich sehr berührt und so unterstütze ich seit über 30 Jahren SOS Kinderdorf.
Seit über 30 Jahren? Du bist doch auch erst knapp über 40.
Der war gut, ich bin 56, wie Du, nur dass Du Dich durchs „Bier“ jung hältst (lacht). Spass beiseite, ich bin der Organisation sehr verbunden und treu. Neben dieser engagiere ich mich seit kurzem auch für das „Deutsche Kinderhilfswerk”. Dieses Engagement ist geprägt durch den Tod meiner Mutter, die anstatt Blumen und Kränze an Ihrem Grab über Ihren Tod hinaus etwas Gutes tun wollte und um Spenden für Kinder gebeten hat. Meine Familie und ich haben den gespendeten Betrag dann verdoppelt, das war uns eine Ehre.
An dieser Stelle und nochmals mein herzliches Beileid, Frank.
Danke Dir, Dominik.
Hast Du auch das Gefühl, dass Menschen nicht nur an eine Organisation, sondern auch für einen ganz bestimmten Zweck spenden?
Ich bin davon fest überzeugt. Denn Spenden hat viele Facetten. Eine Spende kann auch spontan erfolgen, um jemanden kurzfristig etwas Gutes zu tun oder zu helfen.
“Ich hatte schon immer das Gefühl, dass man teilen muss.”
Bekommst Du Spendenaufrufe von anderen Organisationen?
In der Tat, wobei ich mir schon wünschen würde, dass Organisationen darüber nachdenken, wenn jemand nach dem 25ten Aufruf oder Infobrief immer noch nicht reagiert. Macht es dann Sinn dieser Person weiter in regelmäßigen Abständen Informationen zu schicken? Vielleicht ist es sinnvoller die Frequenz zu minimieren, den Kanal zu wechseln oder gar einzustellen und die verwendeten Werbemittel anderweitig zu verwenden.
Weil Du Spendenbriefe ansprichst, glaubst Du, das ist die richtige Ansprache, um Spender zu erreichen?
Es kommt immer auf den Einzelfall an. Dennoch schwierig, weil bei vielen das Gefühl der persönlichen Ansprache fehlt und weil viele Spendenbriefe eingehen. Jede Organisation möchte Aufmerksamkeit bekommen. Natürlich möchten Menschen helfen, allerdings sind manchmal die geforderten Summen zu pauschal oder nicht auf das eigene Spenden angepasst. Sichtbarkeit ist wichtig, dennoch steht der Kontext über allem. Oft hat man das Gefühl, wie übrigens bei Newslettern auch, sie werden verschickt, weil sie in irgendeinem Ziel definiert sind. Das Ziel kann doch nicht sein, verschicke 100 Newsletter an 5.000 Menschen mit einem sinnbefreiten Inhalt, der überhaupt nicht auf die Person abgestimmt ist.
Persönlich bin ich auch überzeugt, dass das nicht funktioniert und dennoch Sichtbarkeit wichtig ist. Wie würdest Du es machen?
Nun ja, viele Spender sind noch über Briefe erreichbar. Du weißt besser als ich, wie die Verteilung zwischen den Online-Spenden und klassischen Spenden ist. Jedoch sind die Briefe meist gleich aufgebaut und differenzieren sich zum Teil in der Struktur kaum. Es gibt aber keine Blaupause, die für eine erfolgreiche Ansprache spricht. Es wäre viel sinnvoller Inspiration zu schaffen, damit sich ältere Spender mit ihren Kindern unterhalten, wie spenden online funktioniert. Dann könnte sich die Enkelin neben ihrem Großvater setzen und ihm das erklären. Zugleich wird die Enkelin an das soziale Engagement herangeführt oder noch besser direkt an die Organisation. Beide können voneinander lernen und verbringen sinnstiftende Zeit miteinander.
Weil Du es ansprichst, hast Du jemals einen Spendenbrief mit einem QR Code bekommen?
Ich kann mich nicht daran erinnern oder bin mir nicht sicher, es bewusst wahrgenommen zu haben. Ich denke, das ist für viele Organisationen leider noch Zukunftsmusik. Das kriegen zum Teil ja nicht mal Unternehmen hin. Viele tun zwar so als ob, aber wenn es dann um die Umsetzung geht, überwiegt doch die Bequemlichkeit oder Unwissenheit.
Also erreicht man Dich über den Spendenbrief?
Zumindest SOS Kinderdorf mit Sicherheit. (lacht) Aber auch hier braucht es mehr Personalisierung. Es geht um persönliches Engagement und Sinnstiftung. In die Tiefe gehen ist wichtig.
Bleiben wir beim persönlichen Engagement. Du hast dieses Jahr Deine Freunde auf Facebook gebeten, SOS Kinderdorf zu unterstützen, also eine Spendenaktion gestartet. Wie war Deine Erfahrung?
Grundsätzlich war das eine gute Idee. Neues sollte ausprobiert werden. Du weißt bestimmt auch, dass diese Aufrufe mittlerweile häufiger auf der Facebook Timeline an Geburtstagen zu sehen sind. Natürlich ist die Bitte um eine Spende kein Muss und sollte auch nicht so verstanden werden. Für viele ist es eine Hürde, denn sie müssen ihre Bankdaten an eine Tochtergesellschaft bzw. Tochtergesellschaften übermitteln. Überrascht war ich über das Spendenlimit seitens Facebook. Da ich nicht den Betrag spenden konnte, den ich mir vorstellte, habe ich klassisch via Überweisungsauftrag das Geld an SOS Kinderdorf überwiesen.
Digital Fundraising wird mehr und mehr in Organisationen etabliert, auch wenn viele noch am Anfang stehen. Glaubst Du, die Organisationen setzen auf das richtige Pferd?
On the long run geht es nur über digital, da junge Menschen nicht mehr über die klassischen Wege, wie Briefe, etc. erreichbar sind. Du und ich kennen den Wandel bestens, wer sich nicht verändert, der wird von der Veränderung überholt.
Eine letzte Frage Frank: Was wird bei der Werbung in 10 bis 15 Jahren anders sein als jetzt?
Um beim Thema Sinnstiftung und Sichtbarkeit zu bleiben: Auch TV-Werbung muss in den kommenden Jahren neu überdacht werden. So wie wir TV-Werbung kannten und immer noch kennen, wird sie die Menschen nicht mehr erreichen. Der Wandel wird auch hier nicht Halt machen.
DANKE Frank, dass Du Dir einen wirklich tollen Ort für unser Interview ausgesucht hast. DANKE im Namen aller Wikandos für Deine Zeit und Deine ehrlichen und sehr persönlichen Antworten. Ich freue mich auf unser nächstes Wiedersehen, wo auch immer es sein wird. Wir sind, was wir geben.
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