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Eine Waage vor grünem Hintergrund mit Symbolen für Fundraising und Programm in NGOs

Zwischen Emotion und Komplexität: Der Balanceakt zwischen Fundraising und Programm

Nach stundenlanger Schreibarbeit ist er endlich fertig, der neue Artikel fürs Paten-Magazin. Du bist stolz auf das gelungene, emotionalisierende Storytelling und die spannenden Fakten, die Du einfliessen hast lassen. Jetzt fehlt nur noch das OK der Campaignerin, und dann kann er ins Layout. Doch aus der Programmabteilung kommt der Artikel mit 35 Kommentaren zurück…zu vereinfacht, zu platt, zu reisserisch, zu wenig fachlich. Würdest Du alle Kommentare so umsetzen, wäre der Artikel doppelt so lange und vom schönen Storytelling wäre auch nichts mehr übrig.

So oder so ähnlich haben das sicher schon viele Fundraiser*innen erlebt, wenn nicht sogar alle. Denn der hier zugrundeliegende Konflikt ist ein systemischer: Er existiert überall, wo es Fundraising und Programm gibt. 

 

Unterschiedliche Perspektiven

Ursache für den Konflikt sind die unterschiedlichen Perspektiven, die die beiden Bereiche haben (und haben müssen). Der Kern des Fundraisings ist es, Mittel zu generieren, um die Organisation finanziell zu sichern und Projekte zu ermöglichen. Darum liegt der Fokus in der Kommunikation auf der Präsentation von Erfolgen und dem Betonen der Wichtigkeit von Unterstützung. Die Hauptzielgruppe im Fundraising sind natürlich Spender*innen.

Die Programmabteilung hingegen konzentriert sich auf die Umsetzung der Projekte und das Erreichen der Mission der Organisation. Im Vordergrund stehen langfristige, tiefgreifende Veränderungen in meist sehr komplexen Settings. Im Programm wird mit unterschiedlichen Partnern aus wissenschaftlichem und politischem Kontext zusammengearbeitet.

 

Unterschiedliche Kommunikation

Im Fundraising ist es wichtig, leicht verständlich zu kommunizieren und Geschichten zu erzählen. Sie müssen emotional ansprechend sein, um Spender*innen zum Geben zu motivieren. Exakte, tiefgehende Fakten sind weniger wichtig, bzw. auch sehr schwer in spendenwirksame Botschaften zu übersetzen, ohne zu vereinfachen. 

Programm-Mitarbeitende legen hingegen Wert auf Exaktheit, Kontext und Komplexität. Das ist wichtig in ihrer Kommunikation mit Expert*innen, politischen Vertreter*innen und Medien, um als fachlich kompetent wahrgenommen zu werden. Sie befürchten, dass zu starke Vereinfachung die Realität verzerrt oder sogar irreführend ist.

 

Unterschiedliche Zeitrahmen

Während im Fundraising meistens mit kurz- bis mittelfristigen Zielen (z. B. Quartals-Ziele) gearbeitet wird, hat man im Programm einen langfristigen Fokus, der nicht immer kurzfristig messbare Erfolge zeigt. Das führt zu Spannungen, wenn das Fundraising schnelle, messbare Erfolgsgeschichten braucht, die Programm-Mitarbeitende nicht liefern können.

 

Unterschiedliche Interessen

Fundraiser*innen vertreten die Interessen der Spendenden. Diese wollen verständliche Informationen über die Sache und darüber, was ihre Spenden bewirken. Im Programm hingegen werden die Interessen der Begünstigten vertreten, bzw. von Expert*innen aus dem Fachbereich. Fundierte, tiefgehende Informationen und wissenschaftliche Herangehensweisen sind ihnen wichtig.

 

Ressourcen- und Wertkonflikte

Nicht zuletzt ist die Budgetverteilung oft der Grund für Konflikte. Während die Programm-Abteilung argumentiert, dass es ohne sie keinen Fortschritt in der Sache gäbe, pocht das Fundraising darauf, dass sie erst die Mittel für Projekte hereinholen. Die Gewichtung der Finanzierung ist immer ein Balanceakt, der nicht einfach zu bewältigen ist. 

Ausserdem gibt es Unterschiede bei den vertretenen Werten. Fundraising-Teams arbeiten stark leistungs- und zielorientiert, während Programm-Teams ihre Tätigkeit als Mission oder Berufung sehen. Die Fokussierung auf finanzielle Ziele im Fundraising kann daher als nicht im Einklang mit den Werten der Organisation empfunden werden.

 

Gibt es eine Lösung?

Eines Vorweg: Systemimmanente Konflikte lassen sich nicht in Luft auflösen. Sie werden immer bestehen, und das ist auch gut so. Denn durch die beiden Pole ist es immer wieder aufs Neue notwendig, Kompromisse und eine Balance zu finden. Dadurch ist sichergestellt, dass die Kommunikation nie zu “flach” bzw. zu “fachlich” ist. Das entstehende Mittelding ist in den meisten Fällen ideal.

Trotzdem kann man etwas tun, um die Spannungen zu entschärfen:

  • Verständnis schaffen: Wenn beide Seiten die Bedürfnisse und Ziele der jeweils anderen verstehen, ist das eine gute Voraussetzung für konstruktive Zusammenarbeit.
  • Gemeinsame Zielsetzungen: Statt die beiden Seiten als zwei getrennte Welten zu betrachten, können gemeinsame Ziele formuliert werden, die beide Sichtweisen berücksichtigen.
  • Storytelling-Workshops: Gemeinsam daran arbeiten, authentische und ethische Geschichten für Spender*innen zu finden, die die Programmarbeit korrekt abbilden.
  • Interdisziplinäre Teams: Projektteams bilden, die Mitglieder aus beiden Bereichen beinhalten, um Synergien zu fördern.

 

Emotion gegen Fakten

Letztlich muss der Konflikt zwischen Fundraising und Programm in jeder Organisation individuell behandelt werden. Es kommt u. a. auch darauf an, welche Strategien eine NGO verfolgt, um ihre Mission zu erreichen, um zu entscheiden, welche Art der Kommunikation die geeignetste ist. NGO-Kommunikation wird also immer irgendwo zwischen perfekter Fachlichkeit und vereinfachender Emotionalisierung angesiedelt sein, die zentrale Frage ist: Wieviel Fachwissen ist zu unverständlich, wieviel Vereinfachung ist schädlich? Letztlich bleibt die Herausforderung: Wie können wir gemeinsam kommunizieren, ohne die Komplexität zu verraten oder die Emotion zu verlieren? Vielleicht ist es Zeit, diesen Balanceakt nicht als Problem, sondern als Chance zu begreifen.

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