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Storytelling für NGOs: Die wichtigsten Tipps

Storytelling ist eine Kunst, die seit Jahrtausenden dazu dient, Wissen, Kultur und Werte zu vermitteln. In der modernen Welt nutzen auch NGOs das Storytelling, um ihre Missionen zu kommunizieren und Unterstützung zu mobilisieren. Geschichten helfen zu verstehen, was die NGO tut, warum und wie sie es tut. Außerdem vermitteln sie Handlungsmöglichkeiten und überzeugen besser als reine Fakten. Doch obwohl Storytelling ein mächtiges Werkzeug sein kann, gelingt es vielen Organisationen nicht, dessen volles Potenzial auszuschöpfen.

 

Die Herausforderungen im Storytelling von NGOs

Viele Organisationen scheitern daran, Geschichten zu erzählen, die alle wesentlichen Elemente einer fesselnden Erzählung enthalten: einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Oft fehlen wichtige Aspekte im Storytelling wie Konfliktlösung sowie detaillierte Charaktere und Umgebungen. Stattdessen werden oft einfache Narrative verwendet, die die Organisation als Held darstellen, der einer homogenen Gruppe von “hilflosen” Personen hilft. Solche Erzählungen schaffen nur selten ein tiefes Verständnis für das Problem oder eine echte Verbindung zur Ursache. Außerdem reproduzieren sie das Bild von hilfsbedürftigen, ohnmächtigen Opfern, denen geholfen werden muss – Deine Begünstigten werden dadurch zu reinen Objekten, die nur anhand des Problems identifiziert werden. 

Forschungen, unter anderem vom Center for Public Interest Communications, zeigen, dass organisationale Erzählungen oft zentriert sind auf die Organisation selbst, statt auf die kollektive oder individuelle Handlungsfähigkeit der Gemeinschaften, denen sie dienen. Dies führt zu einer Darstellung, bei der die Zielgruppe nur durch ihre Probleme definiert wird, was eine echte Identifikation und Empathie erschwert.

A story is “any cohesive and coherent account of events with an identifiable beginning, middle, and end about characters engaged in actions that result in questions or conflicts for which answers or resolutions are provided.”
Braddock, K. (2016). Towards a guide for constructing and disseminating counternarratives to reduce support for terrorism. Studies in Conflict & Terrorism, 39(5), 381–404

Im Storytelling geht es um Gefühle

Geschichten, die Emotionen wecken, sind besonders wirkungsvoll. Menschen verbinden sich eher mit Erzählungen, die menschliche Erfahrungen und Gefühle teilen. Denn Gefühle verbinden uns miteinander – jeder hat schon mal Angst, Freude, Trauer, Wut oder Ehrfurcht verspürt und wir empfinden mit unseren Mitmenschen mit. Gefühle erlauben es dem Publikum, eine tiefe Verbindung zu den dargestellten Charakteren zu fühlen und sich mit dem vermittelten Thema auf einer persönlichen Ebene auseinanderzusetzen. 

Es ist entscheidend für gutes Storytelling, positive Emotionen zu nutzen, um Empathie und Handlungsbereitschaft zu fördern. Statt Angst und Schuld zu erzeugen, sollte man z. B. auf Stolz und Ehrfurcht setzen, um Menschen zu inspirieren und zu motivieren. Zum Beispiel kann die Darstellung der Schönheit und Einzigartigkeit der Natur besser dazu beitragen, Menschen für umweltschützende Maßnahmen zu gewinnen, als ihnen ein schlechtes Gewissen zu machen. Letzteres wird eher Trotz oder Ausreden hervorrufen. 

 

Gefühle sind eine Sprache, die alle verstehen

Gefühle haben eine wichtige, evolutionäre Funktion: Sie kommunizieren Informationen an die Gemeinschaft und prägen sich dauerhaft ein. Wenn Du zum Beispiel etwas gegessen hast, von dem Dir schlecht wurde, wirst Du Dich in Zukunft davor ekeln. Ein Gefühl wie Ekel ist sehr einfach im Gesicht von Menschen zu erkennen: Dadurch erfahren auch andere, dass sie diese Nahrung besser vermeiden sollten. Dasselbe gilt natürlich auch für positive Emotionen – was andere erfreut, wird auch mich erfreuen.

Für das Storytelling ist es wichtig zu verstehen, welche Gefühle welche Aktionen auslösen. Eine Geschichte mit einem Happy End, die uns zufrieden, harmonisch und glücklich zurücklässt und sogar aufzeigt, wie wir mit Problemen und Schwierigkeiten fertig werden können, verändert uns. Wir lernen daraus verschiedene Handlungsmöglichkeiten, um mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen und glücklich zu werden. 

Geschichten, die Angst machen, erzeugen z. B. einen starken Flucht- oder Kampf-Impuls. Sie werden genutzt, um Menschen dazu zu mobilisieren, gegen etwas anzukämpfen. Das kann gut funktionieren, wie man heute leider nur allzu oft bei populistischen Politiker*innen beobachten kann. NGOs haben hier einen anderen Ausgangspunkt: Menschen müssen sich nicht mit ihnen befassen, und niemand setzt sich gerne freiwillig negativen Emotionen aus. Daher sollten Organisationen mit positiven Gefühlen arbeiten, um Menschen anzusprechen: ihre Geschichten müssen inspirieren und vermitteln, dass wir gemeinsam positiven Impact erzielen können. 

 

Elemente einer effektiven NGO-Story

Die allermeisten guten Geschichten folgen einer Struktur, die schon bei Shakespeare & Co. funktioniert hat und heute in so gut wie allen erfolgreichen Blockbustern angewendet wird. 

Quelle: Medium.com https://medium.com/science-of-story-building/science-of-story-building-structure-f296c41034c5

Jede Geschichte hat einen Anfang (den 1. Akt, in dem die Charaktere vorgestellt, der Kontext erläutert und das Problem erklärt wird), eine Mitte (2. Akt, Charaktere handeln und bewältigen Herausforderungen, die Handlung läuft auf einen Höhepunkt zu) und ein Ende (3. Akt, das Problem wurde gelöst).

Das sind die zentralen Elemente beim Erzählen von Geschichten:

  • Ein Kontext, der die Situation und Umgebung darstellt
  • Detailreiche Charaktere, mit denen man sich identifizieren kann – mindestens eine*n Protagonist*in und eine*n Antagonist*in (antagonistische Kräfte müssen aber nicht zwingend eine Person sein), die NGO/Community kann als Mentorin/Helferin in Erscheinung treten
  • Ein klar definiertes Problem, das gelöst werden muss
  • Eine Handlung, die auf einen Höhepunkt zustrebt
  • Hürden und Chancen, die die Charaktere überwinden oder nutzen
  • Eine Lösung und eine Moral

 

Effektives Storytelling sollte systemische Herausforderungen als Teil der Erzählung einbeziehen, um die komplexe Realität von Problemen wie Rassismus, Kapitalismus und Patriarchat zu veranschaulichen. Der*die Held*in der Geschichte muss in diesem System agieren und gemeinsam mit der Organisation und anderen Menschen daran arbeiten, es zu verändern.

 

Der Zauber liegt im Detail

Damit man sich mit Charakteren identifizieren kann, braucht es Details. Gut sind solche, die mit Gefühlen wie Liebe, Sieg, Verlust, Freude, Frustration oder Unsicherheit verbunden sind. Je mehr Details es gibt, umso einfacher kann man sich in die Situation oder den Charakter hineinversetzen.

“The more specific we are, the more universal something can become. Life is in the details. If you generalize, it doesn't resonate. The specificity of it is what resonates.”
Jacqueline Woodson Quelle: https://parade.com/356078/sonacharaipotra/national-book-award-winner-jacqueline-woodson-talks-brown-girl-dreaming/

Stell Dir vor, Du erfährst von einer obdachlosen Person, die auf der Straße nach Geld betteln muss, um sich Essen kaufen zu können. Das ist ein Bild, das uns allen schon mal in der Realität begegnet ist. Es bietet nur wenig Gelegenheit, sich mit der Person zu identifizieren und das systemische Problem zu erkennen. Erfährst Du jetzt aber, dass diese Person noch vor wenigen Jahren einen gut bezahlten Job als Dachdecker hatte, verheiratet war und zwei Kinder hat, die jetzt im Teenager-Alter sind, hast Du wesentlich mehr Ansätze, um Dein eigenes Leben darin zu erkennen. Wir erkennen: der Person ist etwas passiert, das uns allen passieren kann. Je mehr Details, desto einfacher kann man sich identifizieren.

Die Bedeutung des kollektiven Handelns

Effektives Storytelling für NGOs sollte das kollektive Handeln betonen. Geschichten sollten zeigen, wie Individuen und die Gemeinschaft zusammenarbeiten, um Herausforderungen zu meistern und Veränderungen herbeizuführen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Gemeinschaft und der gemeinsamen Anstrengungen und fördert ein stärkeres Gefühl der Zugehörigkeit und des Engagements. Wichtig ist dabei, dass die Geschichte aufzeigt, wie Individuen handeln können, um Teil der Gemeinschaft zu werden, die das Problem lösen kann.

Indem NGOs lernen, effektivere und empathische Geschichten zu erzählen, können sie nicht nur ihre unmittelbare Unterstützung erhöhen, sondern auch eine tiefere und dauerhaftere Wirkung auf die Gesellschaft haben. Storytelling ist nicht nur ein Werkzeug für die Kommunikation und das Fundraising, es ist ein Mittel zur Inspiration und zum sozialen Wandel.

 

Hier geht es zu unserem umfangreichen Storytelling-Ratgeber.

Viele weitere Informationen zum Storytellling findest Du unter anderem hier:

Medium.com: Science of Story Building

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