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Tablet mit verschiedenen Spenden-Beitragsvorschlägen

10 Behavioral Design Techniken, mit denen NGOs mehr Spenden generieren

Behavioral Design ist ein Forschungsbereich, der das menschliche Verhalten untersucht. NGOs können sich diese Erkenntnisse zunutze machen – sowohl im Fundraising, als auch in ihren Programmen. In diesem Artikel liest Du, wie gezielte Maßnahmen aus dem Bereich Behavioral Design zu mehr Spendeneinnahmen führen können.

 

Was ist Behavioral Design?

Behavioral Design ist ein Teilgebiet der Verhaltenswissenschaften und der praktischen Anwendung zur Gestaltung von Umgebungsbedingungen. Es beinhaltet ein tiefes Verständnis menschlicher Verhaltensweisen (“Behavioral”) und entsprechende Maßnahmen (Design), um dieses zu beeinflussen.

Behavioral Design umfasst verschiedene Konzepte, die angewandt werden können, um menschliches Verhalten zu beeinflussen. Sie zielen darauf ab, Menschen zu besseren Entscheidungen zu lenken, also positive Effekte zu erzielen. Die Umsetzung als “Dark Patterns” – also manipulative Designelemente – ist eine negative Auslegung dieser Erkenntnisse mit dem Ziel, Menschen zu Handlungen zu verleiten, die sie eigentlich nicht wollen.

 

Warum ist Behavioral Design für NGOs wichtig?

Behavioral Design bietet NGOs viele Möglichkeiten, um Menschen sanft dazu zu bringen, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Das kann zum Beispiel die Teilnahme an einem angebotenen Projekt oder auch das Tätigen einer Spende sein. Das Konzept hilft dabei, das Verhalten von Spendenden zu verstehen und ihre Motivation besser stimulieren zu können: In “Ask a Behavioural Scientist: Part 1” erklärt Dr. Kiki Koutmeridou, wie Verhaltenswissenschaften im Fundraising eingesetzt werden können, um Spender besser zu motivieren. Beispielsweise sind Großspender*innen eher durch persönlichen Einfluss und Professionalität einer Organisation motiviert, während kleinere Spenden durch Maßnahmen wie Beitragsvorschläge und das Appellieren an soziale Normen motiviert werden. Aber dazu später mehr.

 

Behavioral Design-Techniken für NGOs

Welche psychologischen Konzepte gibt es nun im Behavioral Design, und welche Maßnahmen leiten sich daraus ab? 

 

1. Der Ankereffekt

Dieses Konzept beschreibt, wie Menschen sich bei Entscheidungen an einem initialen Wert orientieren. Im Fundraising bedeutet das, dass sie sich an vorgeschlagenen Spendenbeträgen orientieren, um die Höhe ihrer eigenen Spende festzulegen. Dabei führen höhere Anker zu größeren Spenden, niedrigere Anker erhöhen dafür die Conversion-Rate. 

Auch ein Spendenziel, zum Beispiel in einer Kampagne oder Spendenaktion, kann ein Anker sein. Menschen können dann dazu motiviert sein, einen höheren Betrag zu spenden, als sie eigentlich im Sinn hatten, um das Spendenziel zu erreichen.

 

2. Tendenz zur Mitte

Menschen haben eine Tendenz zum “goldenen Mittelweg”. Das bedeutet, dass sie sich bei drei möglichen Optionen zumeist für die mittlere Entscheiden – also z. B. bei drei Beitragsvorschlägen zu jenem tendieren, der den Mittelwert darstellt. NGOs können dies nutzen, um ihre Durchschnittsspende durch entsprechende Beitragsvorschläge zu erhöhen.

Die Tendenz zur Mitte kann auch genutzt werden, um Menschen zu einer regelmäßigen Spende zu motivieren. Durch ein entsprechendes Design auf der Website könnte eine NGO drei Wege aufzeigen, zu unterstützen: Mit einer Einzelspende, mit einer regelmäßigen Spende und mit einer Großspende. Die mittlere Option ist jene, die am ehesten gewählt wird.

Das Spendenformular von Sea Watch e. V. mit drei voreingestellten Spendenbeträgen
Sea Watch schlägt drei Spendenbeträge vor, die meisten Menschen wählen die mittlere Option.

3. Nudging

Nudging bedeutet soviel wie “Anstupsen” und beschreibt die Idee, Menschen subtil zu beeinflussen, ohne sie direkt zu etwas zu zwingen oder überreden zu wollen. Das kann Maßnahmen umfassen wie z. B. das Voreinstellen eines bestimmten Spendenbetrages oder einer regelmäßigen Spende im Spendenformular. Auch ein auffälliger Spendenbutton, der dazu verleitet, auf das Spendenformular zu klicken, zählt zu Nudging.

 

4. Verstärkungslernen

Positive Verstärkung fördert gewünschtes Verhalten nachhaltig, da so eine Entscheidung als freiwillig wahrgenommen wird. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten wiederholt wird. Erhalten Spendende, die eine regelmäßige Spende abschließen, zum Beispiel laufend ein tolles, informatives Vereinsmagazin, ist dies eine Belohnung für ihre Entscheidung. Sie werden dies positiv wahrnehmen und auch zukünftig geneigter sein, regelmäßig zu spenden als jemand, der gegen seinen Willen überredet worden ist und keine Belohnung dafür erhält. 

Auch persönliche Wertschätzung kann als Belohnung für eine Spende wahrgenommen werden. Das kann ein personalisierter Brief, eine handgeschriebene Dankeskarte oder ein persönlicher Telefonanruf sein. 

 

5. Verlustaversion

Menschen empfinden Verluste stärker negativ als Gewinne positiv. Der drohende Verlust wirkt also motivierend. In der Praxis könnte das z. B. ein Spendenaufruf sein, der aufzeigt, was passieren würde, wenn niemand mehr Spenden und es die Organisation nicht mehr geben würde. Aber auch eine verpasste Chance stellt einen Verlust dar: Zum Beispiel jene, seine Spende von einem Unternehmen verdoppeln zu lassen, wenn man in einem bestimmten Zeitraum spendet. 

Ein weiteres Beispiel für das Nutzen der Verlustaversion ist es, bestimmte Goodies wie T-Shirts oder Tickets zu exklusiven Benefizevents zu erhalten, wenn man in einem bestimmten Zeitraum spendet. 

 

6. Social Proof

Menschen orientieren sich am Verhalten anderer. Wenn also aufgezeigt wird, dass andere – ähnliche – Menschen bereits gespendet haben, wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ebenso gehandelt wird. Dies kommt besonders bei Spendenaktionen zum Einsatz, in denen man den bereits gespendeten Betrag und auch die einzelnen Spenden sehen kann. 

Auch das Teilen von Spenden auf Sozialen Netzwerken oder die Verwendung von Testimonials und Spender*innen-Zitaten appelliert an andere, es ebenfalls zu tun. Social Proof nährt außerdem das Gefühl, einer Gruppe zugehörig zu sein – ein soziales Grundbedürfnis.

Spendenformular von Aktion Deutschland Hilft mit Social Proof
Aktion Deutschland Hilft setzt in seinem Spendenformular auf Social Proof durch den Hinweis "Die meisten geben..."

7. Knappheit und Dringlichkeit

Ein knappes Gut wird eher gekauft, als eines, das in rauhen Mengen vorhanden ist. Das gilt auch im Fundraising, z. B. im oben bereits erwähnten Beispiel einer verdoppelten Spende in einem bestimmten Zeitraum. Auch begrenzte Tickets für ein Benefizkonzert anzubieten nutzt die Verknappung als Motivation.

Dringlichkeit ist ebenfalls ein Aspekt, der motivierend auf Spendende wirkt. Das kann zum Beispiel bei Katastrophen, bei denen schnelle Hilfe nötig ist, eingesetzt werden. Aber auch andere Themen wie eine dringend nötige Operation für ein Kind oder die Petition gegen ein Gesetz, das bald verabschiedet werden soll, können im Fundraising gut genutzt werden.

 

8. Identitäts-Priming

Bei diesem Ansatz werden spezifische Identitäten einer Person aktiviert, um erwünschtes Verhalten zu fördern. Im Fundraising könnte das – je nach Zielgruppe und Thema – zum Beispiel die Identität als Umweltschützer*in oder Menschenfreund*in sein, die zum Spenden motivieren kann. Man kann dies gezielt einsetzen, indem man Formulierungen im Spendenaufruf so wählt, dass die jeweilige Identität angesprochen wird. 

Großspendende wollen sich tendenziell lieber als einzelne Wohltäter*innen sehen, als als Teil einer Gruppe. Die Betonung auf den persönlichen Einfluss ist hier wichtig. Im Gegenzug sind kleinere Spender*innen eher darüber zu motivieren, einer Gruppe anzugehören (z. B. “Förderer” oder “Mitglieder”) und reagieren tendenziell mehr auf kollektive Aufrufe (“gemeinsam können wir…”). Dies ist ein Beispiel für unterschiedliche Spender*innen-Identitäten und die Art und Weise, wie sie am besten anzusprechen sind.

Patenschaftsseite des BUND spricht Identität als Umweltschützer*in an
Der BUND spricht die Identität als Umweltschützer*in auf seiner Patenschaftsseite an.

9. Verhaltenshürden reduzieren

Je einfacher es ist, eine Handlung auszuführen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie erfolgt. Daher sollten NGOs den Spendenprozess so einfach wie möglich gestalten, z. B. durch One-Click-Donations, einen guten Mix an Zahlungsarten, auf das nötigste reduzierte und verständliche Spendenformulare und Mobiloptimierung. 

Die Website mit dem Spendenformular sollte auch übersichtlich und einfach zu navigieren sein, um keine Hürde für eine Spende darzustellen. Mehr Tipps dazu, wie man eine Spendenseite gestaltet, findest Du in unserem Artikel: 21 Tipps zur Gestaltung von Spendenseiten.

 

10. Reziprozität anregen

Reziprozität, also Wechselseitigkeit, beschreibt den Wunsch, etwas zurückzugeben, wenn man etwas bekommt. Das können im Fundraising entweder kleine Geschenke sein, oder aber auch Information oder Unterhaltung. Wertvolle Ratgeber können zum Beispiel eine gute Motivation für eine Spende sein. Zentral ist hierbei, dass die Spendenden das Gefühl haben, Mehrwert von der Organisation zu erhalten.

Website des BUND mit zahlreichen mehrwertigen Ratgebern
Der BUND regt Wechselseitigkeit an, indem er zahlreiche nützliche Ratgeber mit Mehrwert für die potentiellen Spender*innen anbietet.

Herausforderungen und ethische Überlegungen

Behavioral Design kann starke Effekte erzielen, birgt aber auch ethische Herausforderungen. Eine besteht darin, sicherzustellen, dass die verwendeten Techniken die Autonomie der Menschen respektieren und nicht manipulativ sind. Es gibt eine feine Grenze zwischen dem Anstoßen zu einer Entscheidung (Nudging) und der Manipulation, was das Vertrauen in die Organisation gefährden kann. Zudem müssen Organisationen transparent sein und sicherstellen, dass die psychologischen Ansätze, die sie anwenden, den Werten der Ehrlichkeit und Fairness entsprechen.

 

Autonomie: Menschen sollten ihre Entscheidungen frei treffen können. Techniken des Behavioral Designs müssen darauf abzielen, Entscheidungen zu erleichtern, nicht zu erzwingen. Ein übermäßiger Einsatz von Nudging kann als manipulative Beeinflussung wahrgenommen werden.

 

Vermeidung von Dark Patterns: Techniken, die Spender*innen zu ungewollten Handlungen drängen, sollten vermieden werden, da sie langfristig das Vertrauen der Unterstützenden schädigen können.

 

Fairness: Behavioral Design sollte fair und inklusiv sein und nicht gezielt auf schwächere oder verwundbarere Bevölkerungsgruppen abzielen, um diese auszunutzen.

 

Mit feiner Klinge sanft Lenken

Behavioral Design ist ein wirksames Instrument im Fundraising und wird häufig bereits genutzt, ohne das Konzept dahinter bewusst zu kennen. Der wissenschaftlich fundierte Ansatz unterstützt NGOs dabei, das Beste aus ihren Fundraising-Maßnahmen herauszuholen und ein tieferes Verständnis von menschlichem Verhalten zu erlangen. Allerdings muss jede Organisation ihre Fundraising-Strategien auf ihre jeweilige Zielgruppe und deren Motivation zuschneiden. Eine “Einheitslösung” gibt es nicht, auch in Bezug auf Behavioral Design.

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