Weltfrauentag: Ein Jahrhundert des Kampfes für Frauenrechte
Es ist der 8. März, ein kühler Frühlingsmorgen in Berlin. Die Straßen füllen sich langsam mit Menschen, die Transparente und Plakate hochhalten. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“ ruft eine Frau mit energischer Stimme. Auf einem Plakat steht “Mein Körper, meine Entschiedung”. Frauen aller Generationen versammeln sich – Studentinnen, Mütter, Rentnerinnen. Sie alle eint eine gemeinsame Sache: der Kampf und ihre Rechte.
Der Weltfrauentag ist weit mehr als nur ein symbolischer Tag. Er ist ein lebendiges Zeugnis jahrzehntelanger Kämpfe, Rückschläge und Errungenschaften von Frauen auf der ganzen Welt. Doch warum gibt es diesen Tag überhaupt? Und was hat sich wirklich verändert?
Der lange Weg zur Gleichberechtigung – Wie alles begann
Die Anfänge
Unsere Geschichte beginnt nicht in der modernen Welt, sondern in den dunklen und rauchenden Fabriken des frühen 20. Jahrhunderts. In den 1900er-Jahren arbeiteten Frauen unter menschenunwürdigen Bedingungen – lange Schichten, niedrige Löhne, kein Mitspracherecht. In New York streikten 1908 tausende Textilarbeiterinnen. Sie forderten bessere Arbeitsbedingungen und das Wahlrecht.
Bereits 1909 begingen die USA den ersten nationalen Frauentag am 20. Februar. 1910, trat eine Frau ins Rampenlicht, deren Name heute untrennbar mit dem Weltfrauentag verbunden ist: Clara Zetkin. Auf einer Konferenz in Kopenhagen schlug sie vor, einen internationalen Tag für die Rechte der Frauen einzuführen. Ein Jahr später, am 19. März 1911, fand der erste Weltfrauentag statt – in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Dänemark. Millionen von Frauen beteiligten sich. Die Forderungen: Wahlrecht, bessere Arbeitsbedingungen, 8-Stunden-Arbeitstag, Mindestlöhne und Gleichstellung. 1912 schließen sich die Frauen in Frankreich, den Niederlanden und Schweden an, 1913 auch die russischen Frauen.
Das heutige festgelegte Datum, der 8. März, geht auf den Textilarbeiterinnen-Streik in St. Petersburg im Jahr 1917 zurück. Dieser Protest, der sich auch auf andere Sektoren ausgeweitete, wurde zum Auftakt der Februarrevolution in Russland.
In Deutschland erhielten Frauen 1918 endlich das Wahlrecht. Österreich folgte 1919. Doch in der Schweiz mussten Frauen bis 1971 kämpfen – fast ein halbes Jahrhundert länger als ihre Nachbarinnen.
Frauen in den 30ern und 40ern
Unter der nationalsozialistischen Ideologie wurde der Frauentag verboten und stattdessen der Muttertag eingeführt. Damit sollte die Rolle der Frau als Ehefrau und Mutter hervorgehoben werden. Diese Zeit war nicht nur eine verlorene Zeit für die Frauenbewegung, sondern ein Rückschritt.
Die 50er und 60er
In diesen beiden Jahrzehnten erlebte die Bewegung eine Wiederbelebung und weitere Erfolge. So wurde 1957 in Deutschland der Paragraf 1354 des bürgerlichen Gesetzbuches gestrichen, der auch Gehorsamkeitsparagraf genannt wird. Er besagt: “Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu”. Ab 1962 war es Frauen erlaubt, ein eigenes Bankkonto zu haben – ein großer Schritt in Richtung finanzieller Unabhängigkeit.
In den 60ern wurde auch der Internationale Frauentag wieder begangen. Der 8. März wurde zu einem Tag der Frauensolidarität, der alle Schichten und politischen Ausrichtungen vereinte.
Das späte 20. Jahrhundert
In den folgenden Jahrzehnten konnten Frauen ihre Gleichstellung Stück für Stück vorantreiben. 1974 wird der Schwangerschaftsabbruch bis zum 3. Monat straffrei gestellt. Erst 1977 wird die “Hausfrauenehe” abgeschafft, und damit auch die gesetzlich festgeschriebene Aufgabenteilung. Gleichberechtigungsgesetze werden in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich in Verfassungen und Grundgesetz aufgenommen. Erst 1998 wird in Deutschland Vergewaltigung in der Ehe strafbar.
Mehr zum zeitlichen Ablauf der frauenrechtlichen Errungenschaften liest Du in diesem Artikel der Vogue: Frauenrechte in Deutschland
Mutige Frauen, große Errungenschaften – Wer den Unterschied machte
Die Geschichte der Frauenrechte ist auch die Geschichte mutiger Frauen, die sich gegen alle Widerstände stellten. Marie Curie, die erste Frau, die einen Nobelpreis erhielt, kämpfte in einer Zeit um Anerkennung, in der Frauen kaum Zugang zur Wissenschaft hatten. Simone de Beauvoir stellte mit ihrem Buch Das andere Geschlecht fest, dass Frauen nicht als unterlegen geboren, sondern von der Gesellschaft dazu gemacht wurden.
Und dann ist da Malala Yousafzai, die 2012 in Pakistan von den Taliban angeschossen wurde, weil sie sich für das Recht auf Bildung einsetzte. Heute kämpft sie weltweit für die Rechte von Mädchen und Frauen.
Aber was ist mit den Frauen, die keine Bücher schreiben oder Nobelpreise gewinnen? Die jeden Tag in Unternehmen, in Krankenhäusern, in Schulen und Familien gegen Ungleichheiten kämpfen? Sie sind es, die die Gesellschaft von innen heraus verändern.
Gleichstellung in Deutschland, Österreich und der Schweiz – Wo stehen wir heute?
Der 8. März 2024: Die Demonstrationen sind in vollem Gange. Doch wofür kämpfen Frauen heute noch? Ist Gleichberechtigung nicht längst erreicht? Ein Blick auf Deutschland, Österreich und die Schweiz zeigt: Es gibt noch viel zu tun.
Ein nicht unwesentlicher Punkt: Immer noch sind es die Frauen, die trotz Erwerbsarbeit den Löwenanteil an Care- und Mental-Work verrichten. Zu Mental-Work zählen all die alltäglichen Dinge, an die gedacht werden muss: Einkäufe planen, Kinder bringen und abholen, Arzttermine ausmachen und einhalten, familiäre Verpflichtungen erfüllen, etc. Wissenschaftler*innen sprechen von “unsichtbarer Denkarbeit”, wenn es darum geht, den organisatorischen Überblick zu behalten. Mitdenken ist immer noch Frauensache.
Deutschland: Die Lücke im Lohnzettel
Deutschland hat zwar Fortschritte gemacht, aber der Gender Pay Gap liegt laut Destatis immer noch bei 18 % (Stand 2023). Der Equal Pay Day ist 2025 am 7. März. Das ist der Tag, bis zu dem Frauen arbeiten müssen, um auf das Gehalt zu kommen, das Männer bereits am 31. Dezember des Vorjahres erreicht haben. Frauen arbeiten öfter in Teilzeit, übernehmen mehr Care-Arbeit und sind in Führungspositionen unterrepräsentiert. Die gesetzliche Frauenquote hat geholfen, doch sie reicht nicht aus. Zudem bleibt die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ein umstrittenes Thema.
Österreich: Fortschritte mit Hindernissen
Laut einer Studie der Arbeiterkammer beträgt der Gender Pay Gap in Österreich 14,3 % – besser als in Deutschland, aber weit entfernt von echter Gleichstellung. Immer noch arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit und in schlechter bezahlten Branchen. Immerhin: Seit 2022 müssen Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitenden ihre Gehälter transparent machen.
Schweiz: Später Start, harter Kampf
Die Schweiz gehört wirtschaftlich zu den stärksten Ländern der Welt – aber bei der Gleichstellung hinkt sie hinterher.
Der Gender Pay Gap liegt bei 19 % – und laut einer Statista-Umfrage fühlen sich 30 % der Frauen in der Schweiz am Arbeitsplatz diskriminiert. Besonders in Führungspositionen sind Frauen unterrepräsentiert. Doch es gibt Hoffnung: Der Frauenanteil im Nationalrat beträgt heute 42 % – ein historischer Höchststand.
Weltfrauentag 2024 – Ein Blick nach vorne
Der Weltfrauentag ist nicht nur ein Datum im Kalender. Er erinnert an die Kämpfe unserer Vorfahrinnen und daran, dass die Rechte, die wir heute haben, noch gar nicht so lange existieren. Was Frauen heute “dürfen”, war nicht immer selbstverständlich. Der Weltfrauentag ist ein Versprechen an alle Frauen, dass ihre Stimmen gehört werden, dass ihre Rechte verteidigt werden und dass die Zukunft eine gerechtere sein wird.
Doch bis dahin gibt es noch viel zu tun.
Zahlreiche spannende Informationen: NDR Weltfrauentag