Führen im Duo: Wie Co-Leadership die Kultur von NGOs transformieren kann
Die Anforderungen an Führungskräfte in gemeinnützigen Organisationen wachsen: soziale, politische und wirtschaftliche Unsicherheiten, komplexe Stakeholder-Strukturen und der Anspruch, Gerechtigkeit und Diversität auch intern zu leben. In diesem Umfeld wird ein Führungsmodell zunehmend interessant – Co-Leadership. Gemeint ist damit eine geteilte Führung auf Augenhöhe, meist durch zwei Personen, die sich Verantwortung, Entscheidungsbefugnis und Außenvertretung teilen.
Co-Leadership ist mehr als nur ein praktisches Modell zur Entlastung überforderter Führungskräfte. Es greift in das Selbstverständnis einer Organisation ein und diversifiziert Führung. Damit einher geht auch ein kultureller Wandel, der sich bis in die Arbeitsweise der Teams positiv auswirken kann.
Was ist Co-Leadership?
Co-Leadership beschreibt die bewusste Entscheidung, Führungsverantwortung nicht bei einer Einzelperson zu bündeln, sondern sie auf mindestens zwei gleichberechtigte Führungspersonen zu verteilen. Anders als bei hierarchischen Vertretungsregelungen oder temporären Tandems basiert Co-Leadership auf dem Prinzip des gleichberechtigten Miteinanders.
Dabei gibt es unterschiedliche Ausgestaltungen: Manche Duos teilen sich die Zuständigkeiten nach Bereichen (z. B. Innen/Organisation und Außen/Strategie oder wirtschaftlich/politisch), andere wechseln sich ab oder treffen alle Entscheidungen gemeinsam. Gemein ist allen Modellen: Sie erfordern Kommunikation, Vertrauen und eine bewusste Klärung von Verantwortlichkeiten.
Warum Co-Leadership? Die Chancen im Überblick
Eine Haupt-Stärke des Konzepts liegt in der strategischen Resilienz: Zwei Perspektiven führen oft zu besseren Entscheidungen. In unsicheren (Krisen-)Zeiten ermöglicht Co-Leadership eine flexiblere und belastbarere Führung.
Außerdem hat das Konzept eine Signalwirkung. Es verkörpert eine Führungsphilosophie, die auf Teilhabe, Kooperation und gegenseitigem Vertrauen basiert – zentrale Werte vieler NGOs.
Auch persönlich bietet Co-Leadership Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind. Überlastung, Einsamkeit und Entscheidungsdruck macht vielen Führungspersonen zu schaffen. Im Duo lassen sich Herausforderungen besser bewältigen, Verantwortung wird auf zwei Personen aufgeteilt und ist damit leichter zu tragen. Außerdem sind Ausfallzeiten wie Urlaube oder Krankheiten einfacher zu bewältigen.
Risiken und Herausforderungen
So vielversprechend das Modell ist – es kommt nicht ohne Stolpersteine. So können leicht Konflikte entstehen, wenn Verantwortungen und Entscheidungswege nicht klar definiert und aufgeteilt sind. Auch bei strategischen Unklarheiten kann es zu Reibung im Führungsteam kommen. Hier liegt aber auch eine große Chance: Die gesamte Organisation profitiert davon, wenn Strategie und Verantwortlichkeiten klar sind.
Was es braucht, damit Co-Leadership funktioniert:
- Vertrauensvolle Beziehung: Führung im Duo ist Beziehungsarbeit. Ohne gegenseitigen Respekt und gemeinsame Werte wird es schwierig.
- Klare Strukturen: Wer trifft welche Entscheidungen? Wo sind Schnittstellen? Wer vertritt die Organisation extern, wer ist intern Ansprechperson?
- Reflexion und Begleitung: Viele Organisationen berichten, dass Coaching oder externe Supervision hilfreich sind – besonders in der Anfangsphase.

Wie sich Co-Leadership positiv auf Teams auswirkt
Co-Leadership verändert nicht nur die Führungsspitze – es hat spürbare Auswirkungen auf die gesamte Organisation, insbesondere auf die Zusammenarbeit in Teams. Diese positiven Effekte werden von Organisationen, die das Modell bereits praktizieren, immer wieder hervorgehoben:
- Vorbild für Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Wenn Führungskräfte Entscheidungen gemeinsam treffen, offen kommunizieren und sich gegenseitig stärken, wirkt das wie ein kulturelles Vorbild für die Teams. Es zeigt: Kooperation schlägt Konkurrenz – auch in verantwortungsvollen Positionen. Durch enge Zusammenarbeit in den Teams können Stärken gebündelt und Synergien besser genützt werden.
- Mehr Vertrauen und Transparenz
Ein gut funktionierendes Co-Leadership-Duo schafft oft ein Gefühl von Sicherheit im Team. Entscheidungen werden nachvollziehbarer, Machtkonzentration wird reduziert, und Mitarbeitende erleben eine offenere Fehler- und Feedbackkultur.
- Bessere Erreichbarkeit und Ansprechbarkeit
Mit zwei Ansprechpersonen steigt die Chance, dass Führung „nahbar“ bleibt. In stressigen Phasen kann eine Führungskraft einspringen, wenn die andere verhindert ist. Das schafft Kontinuität und signalisiert: „Wir sind für euch da.“
- Förderung von Diversität und Perspektivenvielfalt
Teams profitieren davon, wenn die Führung unterschiedliche Blickwinkel mitbringt – sei es durch unterschiedliche berufliche Hintergründe, Lebensrealitäten oder Kompetenzen. Das wirkt sich positiv auf Entscheidungen, Konfliktlösung und Innovationskraft aus.
- Anstoß für Reflexion und Selbstorganisation
Co-Leadership erfordert klare Kommunikation, auch in Bezug auf Prozesse. Diese Klarheit strahlt auf das gesamte Team aus: Rollen, Erwartungen und Zuständigkeiten werden bewusster gestaltet – was die Selbstorganisation stärkt.
Umsetzung in der Praxis
Ein erfolgreicher Start in Co-Leadership beginnt nicht mit der Stellenanzeige, sondern mit der Kultur. Die Organisation muss bereit sein, Führung neu zu denken – als kooperativen, transparenten und lernenden Prozess. Einige Schritte, die sich bewährt haben:
- Klare Rollen und Prozesse definieren: am besten schriftlich festhalten und regelmäßig evaluieren.
- Regelmäßige Kommunikation etablieren: z. B. tägliche Check-ins, gemeinsame Wochenplanung oder Feedbackrunden.
- Das Team einbeziehen: Co-Leadership verändert nicht nur die Führung, sondern das gesamte Arbeitsumfeld. Deshalb: frühzeitig erklären, einbinden und mitgestalten lassen.
- Externe Begleitung nutzen: Coaching oder Mediation können helfen, Spannungen früh zu erkennen und konstruktiv zu lösen.
Führung neu denken
Co-Leadership ist kein Allheilmittel – aber ein kraftvoller Hebel, um Führungsarbeit gerechter, nachhaltiger und zukunftsfähiger zu gestalten. Besonders für NGOs, die ohnehin für gesellschaftliche Transformation stehen, ist dieses Modell eine Chance, auch intern mit gutem Beispiel voranzugehen.
Ob es zur eigenen Organisation passt, lässt sich nur durch Ausprobieren herausfinden. Ein Pilotprojekt, begleitet durch Reflexion und Feedback, kann ein sinnvoller erster Schritt sein.
Weiterführende Lektüre:
- Co-Leadership: A Pathway to Organizational Resilience and Equity
- Transforming Organizational Culture through Co-Leadership
- The Risks and Rewards of Co-Leadership